Samstag, 27. Januar 2018

Crew-Resource-Management vs. demokratische Führung

Nach einigen Fehlinterpretationen des Crew-Resource-Managements (CRM) in den Jahren 2005 bis 2008 hat die amerikanische Luftfahrtbehörde FAA auf die Empfehlung A-86-019 der Verkehrssicherheits-Behörde NTSB hingewiesen. Die NTSB ist u.a. für die Untersuchung von Un- und Störfällen im Luftverkehr in den USA zuständig.



Hier meine Übersetzung des NTSB-Textes:

Die FAA betont, dass im CRM die Führungsrolle und finale Verantwortung des Flugkapitäns an oberster Stelle steht.
Der verantwortliche Luftfahrzeugführer (Kapitän) eines Verkehrsflugzeuges hat die klar definierte, oberste Verantwortung und muss seine Autorität für einen sicheren Flug uneingeschränkt geltend machen können. Im Notfall per Befehl.
Der Kapitän hat die gesamte Besatzung gemäß den Verfahren an den notwendigen Entscheidungsfindungs-Prozessen zu beteiligen.
In jedem Fall ist das Teamwork so zu gestalten, dass die Rolle der letzten Autorität (Entscheidung) des Kapitäns unangefochten bleibt.
Bei falsch angewandten CRM-Prinzipen besteht durchaus die Gefahr, dass z.B. ein übermäßig dominanter 1. Offizier die sichere Flugzeugführung negativ beeinflusst.

Wir reden hier ausdrücklich nicht von extrem selten vorkommenden, irrationalen und krankhaften Verhaltensweisen von Kapitänen, die dann vom 1. Offizier abgelöst werden können.

Gemeint ist hier ein missverstandener Entscheidungsprozess nach dem Mehrheitsprinzip oder der „lautesten Stimme“.
Die FAA hat dazu wissenschaftliche Studien in Auftrag gegeben, die die Qualität von Autoritäts-Entscheidungen der Führungskraft mit in der in Gruppen gefassten Mehrheitsentscheidungen nach demokratischem Prinzip vergleicht.

Die Ergebnisse waren eindeutig:

In jedem Fall hatte die Mehrheitsentscheidung eine höhere Risiko- und Fehlerquote.

In der Verkehrsluftfahrt ist durch ständig wissenschaftlich begleitete und weiterentwickelte Auswahlverfahren gewährleistet, dass nur wirklich qualifizierte Piloten auf den Kapitänssitz kommen.
Die Besatzungen wie die Kapitäne werden ständig geprüft und trainiert, so dass ihre fachliche Qualifikation und Führungsfähigkeit immer den aktuellen Anforderungen entspricht.

Das CRM betont die finale Verantwortung des Kapitäns, unterstützt durch die Flugsicherheitsvorschrift 14 CFR 91.3 der FAA:

Der Kapitän hat die oberste Autorität und Verantwortung für die Flugzeugführung.
Er hat im Luft-Notfall das Recht, falls geboten, von jeder Regel abzuweichen, wenn es die Sicherheit erfordert. Er übt dieses Recht in letzter Konsequenz, wenn erforderlich, per Befehl aus.

Warum erwähne ich das?

Immer wieder stelle ich fest, dass in HR-Debatten Autoritäten und Hierarchien grundsätzlich in Frage gestellt werden. Querdenken und Rebell-Sein ist in.
Querdenker tragen bei, sie entscheiden jedoch nur dann, wenn sie in ihrer Rolle dafür vorgesehen sind. Das bestimmt nicht der Querdenker selbst, sondern die dafür verantwortliche Instanz. Entscheidungsfindungs-Prozesse sind dann beendet, wenn die Entscheidung durch die Führungskraft gefallen ist.

Die Führungskraft hat die Pflicht, regelmäßig zu überprüfen, ob mit den Entscheidungen die gewünschten Ziele noch erreicht werden können. Wenn nicht, ist der Prozess zur Entscheidungsfindung neu zu starten, und zwar von Anfang an.

Für die Auswahl und den Einsatz geeigneter Führungskräfte tragen die vorgesetzten Instanzen (Gesellschafter, Aufsichtsräte, Vorstände, Geschäftsführer ...) die Verantwortung.
Hier ist aus meiner Sicht durchaus Veränderungsbedarf in den Verfahren und Verhaltensweisen.
Nicht in Frage zu stellen jedoch sind Hierarchie und klar definierte Verantwortung an sich.

Das ist eine wesentliche Erkenntnis im Crew-Resource-Management!


Das CRM ist unter anderem deshalb so erfolgreich, weil es klare Verantwortung, eindeutige Autorität und richtig gelebte Hierarchie gibt.
Entscheidungsfindung außerhalb von standardisierten Verfahren (FOR-DEC) findet im Team statt, so dass die eingesetzte Führungskraft möglichst alle für eine Entscheidung relevanten Fakten und Optionen kennt.

Entscheiden tut nur der Teamleiter!
Für ein echtes und erfolgreiches Team ist es unabdingbar, dass es gemeinsam und mit Überzeugung diese Entscheidungen trägt.
Die Prozesse und Regeln im CRM gewährleisten, dass die Voraussetzungen dafür erfüllt sind.
So entsteht eine Atmosphäre der psychologischen Sicherheit, in der jeder offen und angstfrei kommuniziert, Fehler klar und sofort angesprochen werden, Rollen absolut eindeutig und verstanden sind und damit letztlich fatale Fehlerketten vermieden werden.

Diese Führungsgrundsätze decken sich mit der aktuellen Forschung und der Praxis weltbekannter und anerkannter Leadership-Experten, wie z.B. John C. Maxwell.

Andere, vermeintlich hierarchielose Führungsprinzipien:

Solche Modelle und Organisationsformen werden oft diskutiert und dabei häufig als ideal dargestellt. Unternehmen wie Gore werden als Beispiel angeführt.
Diese Formen funktionieren weder hierarchielos noch sind sie führungslos.
Um z. B. Schwarmorganistationen oder Ähnliches zu etablieren oder anzustreben, müssen nach Erkenntnissen der Teamforschung zudem ideale Bedingungen erfüllt werden.

Auch in einem gut funktionierendem CRM in Cockpit und Kabine „merkt“ man die Hierarchie oft gar nicht, wenn das Team ideal funktioniert.
Ein Kapitän trifft in 99% der Fälle FOR-DEC-basierte Entscheidungen im völligen Einklang mit der Crew.
Das darf ihn jedoch nicht in seiner finalen Verantwortung und Entscheidungsfähigkeit schwächen. In einer Atmosphäre der psychologischen Sicherheit ist das keine Einschränkung für das erfolgreiche und echte Team.

Dienstag, 23. Januar 2018

Lean Management – alles andere als eine Erfolgsstory

In den letzten Monaten werde ich immer mehr von Führungskräften, vor allem der oberen Ebenen, gefragt:
„Haben Sie eine praxisbewährte Methode, Lean Management schneller und reibungsfreier einzuführen?
Bei uns dringen gewünschten Ziele und Handlungsmuster nicht richtig in die betroffenen Bereiche durch.“



Die Manager sind unzufrieden.

Die Ziele, Geschäftsprozesse schlanker und effizienter zu machen, Entscheidungswege deutlich zu verkürzen, Verantwortung von Teams und Einzelner zu stärken, Fehler deutlich zu minimieren und damit letztlich bessere Leistungen gegenüber dem Kunden zur Verfügung zu stellen, erreichen Unternehmen häufig in bestehenden Lean-Prozessen nicht.

Nicht selten endet der Weg in erheblichen Kollateralschäden. Mitarbeiter werden frustriert und perspektivlos. Sie kündigen (die Leistungsträger) oder schwenken auf „Dienst nach Vorschrift“ um.
Auch hohe Krankenstände sind die Folge.

Ich erfahre in Gesprächen mit namhaften Arbeitsrechtskanzleien immer häufiger, dass ganze Abteilungen in Unternehmen und Kliniken geschlossen das Unternehmen verlassen.
Selbst Kreditgeber und Aktionäre werden auf die Folgen falscher Personalführung und Gewinnung langsam aufmerksam.

Ändern tut sich jedoch wenig, weil Verantwortliche, Berater und Verbände sich in Buzzword gesteuerten Kokons um sich selbst bewegen.
Es ist wie in der Politik, alle reden vom Aufbruch in eine neue Kultur und zu neuen Wegen, doch kaum einer bewegt sich wirklich dorthin.

Dabei findet sich in der Geschichte des Crew-Resource-Managements der Luftfahrt ein praxisbewährtes Modell und eine Methode, wie Lean Management erfolgreich umgesetzt wird.

Es ist ohne Abstriche auf Unternehmen und Kliniken anzuwenden.

Der Weg ist weder bequem, noch geht er "ruck zuck" und – er erfordert Disziplin, echten Willen und Tatkraft von Seiten der Verantwortlichen in Unternehmen und Kliniken ...

Lesen Sie Antworten in "Lean Management vs. Crew-Resource-Management"

Sonntag, 21. Januar 2018

Entscheidungen besser treffen – Vorträge zum Crew-Resource-Management

Das Crew-Resource-Management (CRM) gilt als das
erfolgreichste und fehlerärmste Führungs- und Arbeitsmodell
in der Welt.
Entwickelt für das effiziente und sichere Führen
großer Verkehrsflugzeuge lässt sich das CRM auf jede Art
von Organisation adaptieren. Denn Fehlentscheidungen
und ineffiziente Kommunikation können negative,
manchmal auch dramatische Folgen haben.



Der erfolgreiche Instruktor Thomas Fengler zeigt und
erklärt in seinen Vorträgen an praxisnahen Beispielen
die Kernelemente des CRMs. Er schlägt dabei den Bogen
zu Ihrer Organisation und zeigt Wege auf, das CRM
bei Ihnen zu implementieren.

Thomas Fengler als erfahrener Instruktor gibt Ihnen
Auskunft über das Crew-Resource-Management in verschiedenen
Organisationen.

Es werden die wichtigsten Handlungsfelder
angesprochen:

  • Nachhaltige Reduzierung der Fehlerquote
  • Steigerung der Effizienz
  • Sichere Entscheidungen unter Druck
  • Bessere Führung durch klare Kommunikation
  • Höhere Stress-Resistenz
  • Größere Mitarbeiterzufriedenheit

Gerne stehen wir für Ihre Fragen und Wünsche sowie für
weiterführende Informationen bereit.

T + 49 40 5480 7777
info@imcockpit.de

Samstag, 13. Januar 2018

Advanced Crew Resource Management (ACRM) – ein vorbildliches Qualitätsmanagement

Drei wesentliche Erkenntnisse prägen das Crew-Resource-Management (CRM), nach 30 Jahren Forschung und Praxis:

  • Um Fehlerketten zu vermeiden und Effizienz zu erhöhen, braucht es klar definierte Verhaltensmuster für Führungskräfte und Mitarbeiter (Team). Dazu gehören ebenso klare Regeln für die Kommunikation, Führen, Entscheiden sowie Stress- und Fehlermanagement.
  • Möglichst viele Prozesse sollten standardisiert werden. Das schafft Freiraum um in  „nicht Standard-Situationen“ Kapazitäten stressarm nutzen zu können.
  • Sowohl Verhaltensweisen als auch Prozesse müssen laufend trainiert werden.



Ab Mitte der 1990er-Jahre war schnell klar: diese drei zentralen Erkenntnisse müssen miteinander verknüpft werden.
Erst dann bekommt man das gewünschte Ergebnis an Qualität (Sicherheit) und Effizienz.
Diese Verknüpfung muss laufend überprüft und dynamisch gestaltet sein.
Heraus kam ein Prozess, der einer systematischen und laufenden Entwicklung untersteht.
Dabei wird präzise darauf geachtet, dass keiner der drei Punkte sich widersprechen oder gegenseitig stören.
Um die Voraussetzungen dafür zu erfüllen, starteten die Airlines in der zweiten Hälfte der
1990-Jahre, in enger Abstimmung mit der amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA und der CRM-Forschung, im Rahmen des neuen Qualitätsmanagements das
Advanced Crew Resource Management (ACRM)-Training.

Hier sind folgende Punkte von zentraler Bedeutung:


  • Verhaltensmuster, Verfahren und Training müssen laufend eng aufeinander abgestimmt werden. Alle Verfahren sind zu berücksichtigen. In der Luftfahrt unterteilen sich die Standardverfahren (SOP´s) in drei Kategorien: normal, abnormal und emergency.
  • Alle theoretischen Erkenntnisse sowie alle daraufhin angepassten Verhaltensregeln und Verfahren sind unter realistischen Bedingungen regelmäßig zu evaluieren. Das geschieht in sogenannten Line-Operation-Evaluation (LOE) Tests und Audits.
  • Die o.g. Abstimmungen von Verfahren und Trainings sind individuell auf die Voraussetzungen und Bedürfnisse der Airlines zu gestalten. Dazu werden im Rahmen der Audits (z.B. LOSA, mein Artikel dazu) jeweils konkrete Inhalte festgeschrieben. Es werden dafür nur FAA zertifizierte Trainingsentwickler und Trainer eingesetzt.
  • Die LOE Tests und Audits werden in Simulatoren wie auch im realen Flugbetrieb durch speziell geschulte und FAA zertifizierte Psychologen, Techniker und Kapitäne durchgeführt.

Nur so erreichte die Luftfahrt eine bisher einzigartige Sicherheits- (Qualitäts) und Arbeitskultur bei enorm hoher Effizienz.

Freitag, 12. Januar 2018

Demut – die Tugend echter Leader – mal konkret

Es wird viel über Demut als Voraussetzung für gutes Führen gesprochen.

Doch was konkret ist damit gemeint? Welche Demut gilt für Führungskräfte?

Es gibt viele Betrachtungsweisen, doch nur eine gilt in der Führungslehre als Tugend.
Ich mag es konkret, ohne Buzzwords und nebulöse Andeutungen.
So nähere ich mich heute, auf dem Flug von Hannover nach Mannheim, im Cockpit unseres A320 dem Thema Demut.
Bewußt mit diesem Flugziel, mit einer nur 1.000m langen Landebahn.

Dienstag, 9. Januar 2018

Es läuft nicht nach Plan – und jetzt?

Nach meinen Ausführungen zur „learning organisation“ auf dem Flug von München nach Innsbruck bin ich am Zielflughafen glatt vorbeigeflogen – und aufgepasst, wo ich bin, habe ich auch nicht richtig.

Das würde natürlich auf der Linie nie passieren, keine Sorge ;)

Nun, es ist eine ganz prima Übung, die situational awareness komplett und sicher wieder herzustellen, ohne Stress aufkommen zu lassen. Umgeben von hohen Bergen sollte bei diesem Prozess, im Anflug auf einen der weltweit schwierigsten Flughäfen kein Fehler passieren, sonst endet es schnell tödlich.

Also, ich werde das bewährte System zum Wiederherstellen der Übersicht anwenden:
die anstehenden Aufgaben portionieren, sequenzieren, delegieren.

Es ist das gleiche System, um im workload management Stress zu vermeiden. Ich bin, wie meistens im Video, alleine unterwegs.

Da werden Sie sich fragen: an wen will er denn delegieren?

Da habe ich jemanden – die Computer. Immerhin wird der „schlaue“ A320 ja von einer Vielzahl Bordrechnern unterstützt und die werden jetzt meine „Partner“

Aber Vorsicht: ich muss mit Ihnen ganz anders umgehen als mit Menschen!

Die Spielregeln dazu erkläre ich beim Rollen zum Gate nach der Landung im schönen Innsbruck. Dann wird´s nicht langweilig ;)


Das ganze Video ist detailliert von mir kommentiert, so dass Sie die Kommunikation mit den Bordsystemen und den Aufbau des neu zu planenden Anfluges auf diesen schwierigen Airport 1:1 in Echtzeit miterleben können.

Ich hoffe, die gut 20 Minuten Flugzeit vergehen für Sie wie im Fluge :)

Samstag, 6. Januar 2018

Der Schlüssel zum Erfolg: no Change-Management – warum?

Warum ich im Cockpit noch nie mit Change-Management konfrontiert und warum das der Schlüssel zum Erfolg des Crew-Resource-Managements wurde, erkläre ich am besten gleich im Cockpit ;)

Dienstag, 2. Januar 2018

No more change please

Es ist das bedrohliche Unwort unserer Zeit geworden: „Change-Management“.

Kaum ein Unternehmen stolpert nicht ständig von einem Change-Projekt ins nächste.
Kaum ein Manager und schon gar keine Mitarbeiter verstehen den Grund, warum schon wieder ein „Change“ stattfindet.
In den vielen Gesprächen mit Führungskräften aller Ebenen bemerke ich eine Ermüdung bei diesem Thema. Sie fühlen sich in einem nie endenden Nebel gefangen.

Viele Studien besagen, dass seit der Einführung von sogenannten Change-Prozessen in den
1970er-Jahren diese konstant zu 60-70% scheitern.
Sie lähmen Unternehmen über lange Zeiträume, kommen selten zu dem Ergebnis, das sie liefern sollen und sind, wenn einigermaßen am Ziel, oft mit enormen Kollateralschäden verbunden.
Sie erzeugen eine hohe Fluktuation, vor allem bei den Leistungsträgern und Fachkräften.
Krankenstände steigen und die Zahl der Mitarbeiter mit innerer Kündigung wächst.
Endgültig zu versagen drohen Change-Prozesse in Zeiten schneller werdender Veränderungen durch neue Technologien und Globalisierung. Die Halbwertzeit von Entscheidungen, Produkten und Dienstleistungen sinkt stetig.
Außer, dass immer neue „Buzzwords“ für diese Phänomene benutzt werden, ändert sich in den Unternehmen wenig.

Warum erzielen Change-Vorhaben oft einen so gravierenden Misserfolg?

Die Antwort darauf gibt in großen Teilen die Geschichte und Praxis des
Crew-Resource-Managements der Verkehrsluftfahrt.

Die Luftfahrt lebt seit Anfang der 1980er-Jahre in gewaltigen Veränderungen:
  • Sie wurde Massenverkehrsmittel.
  • Mit dem Airbus A320 zog die Digitalisierung mit Wucht ins Cockpit ein.
  • Aus den 3 bis 4 Mann im Cockpit wurden in allen Flugzeugkategorien in kürzester Zeit 2 Piloten. Auch ein Airbus A380 wird von nur 2 Piloten geflogen.
  • Mit dem Aufkommen der Billigairlines verkürzten sich die Ground-Handling-Zeiten auf 20 Minuten im Kurz- und Mittelstreckenverkehr sowie 2 Stunden im Langstreckengeschäft.
  • Die Crews wurden internationaler und wechseln häufig.
  • Die Wartungszeit der Flugzeuge wurde in nur 20 Jahren um 50% kürzer.
  • Der Luftraum wird immer voller. Es befinden sich ständig mehr als 1 Million Menschen in der Luft, an jedem Tag im Jahr.
Das alles ereignete sich in einem Zeitraum von rund 30 Jahren.
Trotzdem schaffte es die Verkehrsluftfahrt, zum sichersten Arbeitsplatz der Menschheitsgeschichte zu werden.
Heute verliert eine renommierte Airline alle 50 Jahre ein Flugzeug, bald wird es alle 100 Jahre sein.
Dabei widersprechen sich Sicherheit und Effizienz hier keineswegs, wie Sie an den Fakten zur Veränderung sehen.


Warum funktioniert das in der Luftfahrt und nicht in anderen Bereichen der Arbeitswelt?

Ist es die moderne Technik, die das Fliegen so sicher und effizient macht? Nein!
Die Entwicklung und die Forschung zeigen, dass auch modernste und zuverlässigste Technik nicht in der Lage ist, Fehler zu verhindern. Die digitalen Cockpits ließen sogar kurzzeitig die Unfallzahlen wieder steigen.

Beschäftigt man sich eingehend mit der Forschung im Crew-Resource-Management (CRM), dem Führungs- und Arbeitsmodell der Luftfahrt seit nunmehr 30 Jahren, so stößt man auf ein verblüffendes Phänomen:
die Begriffe „Change“ oder „Changemanagement“ haben dort, trotz der gewaltigen und ständigen Veränderungen, nie Einzug gefunden.

Dabei entwickelt sich auch das CRM schnell und stetig weiter. Es ist jetzt in der 6. Entwicklungsstufe und fordert die weltweite Gemeinschaft von Wissenschaft, Airlines, Herstellern, Ground-Services, Flughäfen, Flugverkehrskontrolle, Behörden und Gesetzgeber und last but not least die Crews in Cockpit und Kabine immer wieder aufs Neue heraus.
Hier sehen Sie, dass in dieser Gemeinschaft die unterschiedlichsten Berufsgruppen miteinander arbeiten.
Auch die verschiedensten Bildungsgrade treffen aufeinander: vom einfachen Arbeiter bis zum höchsten Akademiker – und das in einem hochsensiblen Umfeld.
Alle müssen so miteinander arbeiten, dass ein Flugzeug nahezu rund um die Uhr hunderte Menschen bei fast jedem Wetter um den Globus transportiert, mit einer Sicherheit und Präzision, die weltweit einzigartig ist.

Wie funktioniert das also, ohne das Damoklesschwert „Change“?

Die Antwort ist eigentlich simpel und basiert auf einer lange bekannten Erkenntnis der Psychologen:

Der Mensch mag keine Veränderungen. Davor hat er Angst! Die will er nicht. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier.
Aber: der Mensch ist neugierig und lernt gerne dazu. Es müssen nur die richtigen Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Dazu gehören nachvollziehbare Strukturen und Regeln, Vertrauen und Wohlwollen („psychologische Sicherheit“) und vor allem die Beteiligung aller am Lernprozess.
So wurde im CRM der Begriff der „learning organisation“ gewählt.

Die lernende Organisation prägen folgende Punkte:

  • Lernende Organisationen sind ein Prozess und werden auch so gelebt. Das bedeutet, sie sind Vektoren, ohne Ende. Das macht sie selbstverständlich und definiert keine Ausnahmesituation.
  • Alle in ihr gestalteten Vorgänge erfüllen die oben genannten Voraussetzungen. Das betrifft alle Elemente, wie Kommunikation, Führung, Entscheidungsfindung, Stressmanagement und der Umgang mit Fehlern.
  • Alle Prozesse werden nach klaren, für alle Beteiligten transparenten und verständlichen Regeln definiert und, wo es geht, standardisiert.
  • Das Team und das Individuum und ihre ständige Weiterentwicklung sind in allen Prozessen zentraler Bestandteil.
  • Alle an der lernenden Organisation beteiligten Partner kennen und verstehen diese Regeln und ihre Ziele. Das sind in der Luftfahrt sogar die staatlichen Instanzen - über alle Ländergrenzen hinweg.
  • Die Kommunikation untereinander erfolgt offen und angstfrei. Die Nachricht steht im Mittelpunkt, nicht der Überbringer.

Die Manager und Entwickler dieser ständig währenden Lernprozesse gehören zu der Organisation, sie sind stets präsenter Bestandteil. Das zeichnet vor allem die Forschung und staatlichen Instanzen aus. Nur so können z. B. Zwischen- und Unfälle vorurteilsfrei und unter engagierter Beteiligung aller vollständig aufgeklärt werden.

Der Mensch steht in der Gestaltung und Weiterentwicklung der Prozesse im Vordergrund, und sein Umgang mit der Technik, nicht die Technik selbst!
Deshalb wird auch nicht jeder Technik-Hype sofort in Flugzeuge eingebaut. Und trotzdem ist das Cockpit heute ein nahezu papierloser Arbeitsplatz geworden, der von Crews auch als solcher angenommen wird. Sind sie doch an der Gestaltung aktiv beteiligt.

Vergleichen Sie jetzt die beschriebenen Punkte mit denen praktizierter „Change-Vorgänge“.
Dann wird Ihnen schnell klar, warum „Change-Management“ so selten funktioniert und immer wieder und immer schneller Unternehmen bis in den Untergang treibt.

Der Begriff kommt daher in meinen Mandaten auch nicht vor. Ich habe ihn seit langem abgeschafft und durch die Gestaltung von lernenden Organisationen ersetzt.
Und noch etwas gehört in diesem Zusammenhang gestrichen: nebulöse und unpräzise Buzzwords.
Sie kommen in meiner Praxis auch nicht vor.
Im CRM haben diese Nebelkerzen in 3 Jahrzehnten nie Einzug gefunden, obwohl die Crews in Cockpit und Kabine, am Boden und in den Verkehrsleitstellen an hochmodernen, extrem effizienten und vor allem einzigartig sicheren Plätzen arbeiten.

Diese Erkenntnisse sind nicht geheim und eigentlich auch nicht neu.
Neu wäre es für Unternehmen, Kliniken und Organisationen, sie konsequent in ihrer eignen Welt umzusetzen.
Sicher, es dauert ein wenig, erfordert Geduld, Beharrlichkeit, Lernbereitschaft, Demut, Ehrlichkeit (auch sich selbst gegenüber), Vertrauen und Wohlwollen.

Meine Erfahrung ist: die Menschen folgen und vertrauen Ihnen auf diesem Weg, wenn Sie das richtige Vorbild abgeben, nur Mut!

Quellen:

Lee, M., and Edmondson, A. (2018) Self-managing organizations: Exploring the limits of less-hierarchical organizing, Research in Organizational Behavior, Research in Organizational Behavior.

Edmondson, A. (1999) Psychological Safety and Learning Behavior in Work Teams, Administrative Science Quarterly, Administrative Science Quarterly 44, 350–383.

Kanki, B. G., Helmreich, R. L., and Anca, J. (2010) Crew Resource Management, Second Edition, Elsevier, Amsterdam