Die Zuschrift eines Abonnenten:
„…Mich bewegt dabei aber eine brennende Frage. Werden die von Ihnen beschriebenen Prinzipien tatsächlich weltweit von allen Fluggesellschaften angewandt? Ich nehme an, dass es in der westlichen Welt sehr etabliert sein wird, da wir sehr kausal deterministisch veranlagt sind. Aber wie sieht es denn in Kulturkreisen aus, die da grundsätzlich ganz anders unterwegs sind…“Meine Antwort:
Sie sprechen in der Tat eine der großen Herausforderungen im Crew-Resource-Management (CRM) an.In anderen Kulturen, zum Beispiel in Asien und Südamerika, aber auch schon in der Türkei, Russland oder im mittleren Osten wurde in der Luftfahrt sehr viel später mit der Einführung der Führungs- und Arbeitsgrundsätze des CRM begonnen.
Dort kam und kommt immer noch erschwerend hinzu, dass kulturell/religiöse Prägungen das CRM, z.B. die offene Kommunikation in Hierarchien, mehr behindern, als es in christlich/westlich geprägten Kulturen der Fall ist.
Das fängt häufig schon mit der Motivation für den Pilotenberuf an sich an.
Während man in der westlichen Welt meistens Bewerber für das Cockpit hat, die sich aus Flugbegeisterung und Interesse an der Luftfahrt bewerben, ist es in den erwähnten Ländern oft eine andere Motivation:
die des sozialen Aufstiegs und der formellen und sichtbaren Macht (Uniform mit Rangabzeichen).
Auch ist dort das Akzeptanz-Problem von Frauen in diesem Beruf oft immer noch stark präsent.
Human-Factor Trainer der großen, westlichen Carrier klagen ihr Leid, wenn sie in solche Ländern zu Airlines entsandt werden, die sich als Partner bewerben und damit die entsprechenden Ausbildungsstandards nachweisen müssen.
Aber, und das ist die gute Nachricht, durch die zunehmende Globalisierung im Luftfahrtgeschäft kommt heute kaum noch eine Airline im internationalen Verkehr um solche Partnerschaften (code-sharings) herum.
Sie lassen daher zunehmend ihre Piloten nach den Standards der Major Carriers im Westen ausbilden und auswählen.
Führend sind dort die USA, Großbritannien und Deutschland mit den Schulungszentren der Lufthansa.
Fördernd ist zudem, dass in diesen Ländern die junge Generation auch kulturell internationaler ausgerichtet und erfahrener ist als ihre Väter und Mütter.
Eine weitere Herausforderung im CRM sind die schnell wachsenden Billigairlines.
Hier fliegen zu einem hohen Anteil sogenannte Free-Lance Piloten ohne feste Airline-Bindung. Deren Ausbildungs- und Tauglichkeitsstandard schon innerhalb Europas auf einem hohen Niveau sicherzustellen, ist nicht einfach.
Speziell die Länder des ehemaligen Ostblocks (z.B. Tschechien, Slowakei, Rumänien, Bulgarien) untergraben oft die hohen Human-Factor Standards. Das trifft leider auch auf die gesundheitliche Tauglichkeit zu. Seitdem es EASA-Lizenzen gibt, holt man sich als Pilot sein turnusgemäßes Tauglichkeitszeugnis eben in Rumänien beim Arzt, wenn man es in Deutschland oder Frankreich nicht mehr bekommt. Da wird dann oft mit etwas Bargeld nachgeholfen.
Die EASA (Europäische Luftfahrtbehörde) hat das erkannt und arbeitet jetzt massiv dagegen.
Das beste und stringenteste Ausbildungssystem für Piloten hat meiner Meinung nach wie vor die USA, gefolgt von England.
Die USA haben den Vorteil, dass sie als größte Luftfahrtnation (40% Anteil am Weltluftverkehr) einen einheitlichen Rechtsraum mit einer einzigen Bundesbehörde (FAA) haben. Auch ist dort die Informationspolitik sehr offen und der Umgang mit Fehlern extrem professionell.
Es ist und bleibt das Mutterland des Crew-Resource-Managements, vor allem auch in der Forschung und Weiterentwicklung.
England steht dem kaum nach. Große Teile der bahnbrechenden Fehlerforschung im CRM basieren auf englischen Forschungen, z.B. von James Reason.
Wie gut das CRM in den US-Airlines ist, zeigen die Zwischenfälle bei US-Air im Jahr 2009 mit der Hudson-Landung von der Crew um Chesley Sullenberger und der jüngste Zwischenfall vor 14 Tagen mit einer Boeing 737 auf Flug Southwest 1380.
Über diesen Unfall habe ich einen Artikel mit dem Thema "Krisen erfolgreich meistern".
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