Donnerstag, 13. Juli 2017

Es gibt Tage da ist Stress im Cockpit Programm

Im Cockpit gibt es Tage, da ist von Beginn des Fluges der "abnormal" Zustand programmiert.
Das bedeutet nicht unerhebliches Stresspotential, auch wenn technisch und personell eigentlich alles nach Plan läuft.
Oft ist das Wetter die Ursache. Um solche "Dauerstresstage" nicht zu einem Sicherheitsrisiko werden zu lassen, trainieren Crews bis zu 7-mal jährlich solche Umstände.
Im Mittelpunkt stehen dann drei wesentliche Komponenten im Crew-Resource-Management:
Kommunikation, Stressmanagement und Entscheidungsfindung unter Druck
nach dem Modell FOR-DEC.
Ständig, schon vor dem Flug beim Briefing, wägt die Cockpitbesatzung neu ab, da sich die Entscheidungsparameter laufend ändern – nicht immer vorhersehbar.
Dabei steht die Sicherheit an oberster Stelle.
Ihre natürlichen Gegenspieler in der Luftfahrt sind: Pünktlichkeit, Rentabilität und Belastungsgrenzen des Flugpersonals.

Wetter ist eines der Phänomene, das manchmal nicht mal zwei Stunden im voraus klar vorhersagbar ist.
Komplexe Sommer-Gewitterlagen gehören dazu. In diesem Sommer 2017 ist das bisher häufig eingetreten.
Eines ist mir in 30 Jahren Cockpiterfahrung dabei mehr als sonnenklar geworden:
Ohne Training sind solche Dauerstress-Situationen nicht sicher beherrschbar.
Die Erkenntnisse des Crew-Resource-Managements (CRM) haben mir in Interims-, Krisen- und Beratermandaten auch in Unternehmen schon erheblich weitergeholfen.

Im Vordergrund des richtigen Stressmanagements stehen drei Grundsätze:



     
   
Es hört sich einfach an, ist aber ohne laufendes Training nicht umzusetzen. Da ist sich die Wissenschaft einig!

Im folgenden Video verfolgen Sie mich im Cockpit auf einem Flug in schwerer Gewitterlage nach Berlin Tegel.




Was heißt portionieren?

  • Unterscheiden Sie zwischen DRINGEND und WICHTIG

    Dabei gilt: nicht immer das, was am meisten "Lärm" macht ist auch wichtig. Es erscheint dringend, trägt aber primär nicht zur Lösung des Problems bei.

    Ein Beispiel dazu:Beim Start, kurz vor dem Abheben, springt die Feuerwarnung für ein Triebwerk an. Lautes Klingeln, eine dicke rote, blinkende Leuchte über Ihnen, rote Alarmmeldungen auf den Monitoren. All das erscheint im ersten Augenblick sehr dringend. Doch was ist jetzt als erster Schritt wichtig? "Fliege zuerst das Flugzeug – First fly the aircraft". Ist doch klar, werden Sie denken? Nein, in dem Moment ist das der menschlichen Psyche nicht klar! Genau so sind viele Unglücke in der Luftfahrt passiert, keiner hat in diesem Moment mehr das Flugzeug geflogen. Alle haben sich durch das Getöse ablenken lassen. Erst im Crew-Resource-Management wurde ein Verhaltensmuster entwickelt und trainiert, dass hier Klarheit schafft. Der "Pilot flying" fliegt das Flugzeug, komme was da wolle!

    Ein weiteres Beispiel aus der Medizin:In der Notaufnahme geht ständig der Alarm für eine Sauerstoffuntersättigung beim Patienten los. In dem heute intensiven elektronischen Monitoring übernehmen Maschinen und Computer viele Aufgaben in der Notfallmedizin. Das Team reagiert ständig und versucht, die Alarmzustände zu neutralisieren. Dabei übersieht es eine Blutung im Bauchraum, die für den Patienten lebensbedrohlich wird. Diese Blutung klingelte nicht ständig und blinkte auch nicht rot. Dieser Fall ist mir im Seminar von leitenden Ärzten einer Notaufnahme berichtet worden.

Was heißt sequenzieren?

  • Habe ich die wichtigen Maßnahmen herausgefiltert, bilde ich ein Prioritätenliste für das Abarbeiten. An diese Liste halte ich mich, bis mir neue Erkenntnisse für eine evtl. Veränderung der Prioritäten vorliegen. Ich lasse mich nicht ablenken!

Was heißt delegieren?

  • Alle Aufgaben, die ich nicht selbst erledigen muss bzw. die nicht zu meiner Rolle gehören, delegiere ich, wenn möglich. So behalte ich die Übersicht. Der "Pilot flying", in einem Notfall meistens der Kapitän, fliegt das Flugzeug und lässt sich zuarbeiten und berichten. Er fliegt und macht sonst nichts! Kann er Zustände so nicht akzeptieren, kommuniziert er klar, direkt, prägnant und rechtzeitig mit den Beteiligten. Das sind im Cockpit der "Pilot monitoring", ggf. der Chef der Kabine und nach Außen die Flugsicherung. Ist ein dritter Pilot an Bord (z.B. ein Checkpilot) bezieht er ihn, wenn erforderlich, ins Team mit einer klar definierten Rolle ein. Dieses strikte Stressmanagement rettete im Jahr 2010 auf dem Flug Qantas 32 fast 500 Menschen in einem Airbus A380 das Leben. Zwei Cockpit-Besatzungen (die Maschine war ziemlich neu und es flogen zu Einweisungszwecken zwei Besatzungen und ein Flugingenieur) mit drei handelnden und zwei beratenden Rollen haben alles getan um dem Kapitän (Pilot flying) das zu 80% fluguntüchtige Mega-Flugzeug manövrierbar zu halten. Der Kapitän verließ sich darauf! Ohne das perfekt funktionierende und immer wieder trainierte Crew-Resource-Management wäre das fast nagelneue Flugzeug abgestürzt. Der Auslöser war eine Triebwerksexplosion kurz nach dem Start mit fatalen Beschädigungen an Hydraulik und Elektrik.

Stress ist sicher beherrschbar – immer! Ob das gelingt oder nicht liegt an Ihnen, Ihrer Methodik und Ihrem Trainingszustand.

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