Freitag, 5. Mai 2023

Wann ändere ich mein Verhalten nachhaltig – das sagt die Wissenschaft

Im Moment beschäftige ich mich wieder sehr intensiv mit den Aussagen von Daniel Kahneman (Wikipedia) zu den Themen Selbstreflexion und Wege zur nachhaltigen Verhaltensänderung.


Anflug auf Madeira


Kahneman kommt in seinem sehr empfehlenswerten Buch "Schnelles Denken, langsames Denken" (Amazon) nicht nur zu der Auffassung, dass die Änderung der eigenen Haltung (nachhaltige Verhaltensänderung) die schwierigste Aufgabe für den Menschen überhaupt ist – sie ist auch sehr schwer lehrbar. Noch so vernunftsorientierte Zahlen, theoretische Modelle und Statistiken voller Wahrheit bewegen den Menschen leider nicht zu einer Änderung seiner eigenen Haltung. Das ist in von Kahneman ausgewerteten und selbst durchgeführten Studien vielfach belegt.

Der Mensch ändert seine Haltung am ehesten durch Vorleben (Vorbilder) sowie durch eigenes Erleben.

Beides kann ich in den, zusammen mit EASA-Trainingsexperten für Führungskräfte (nicht Piloten) entwickelten Szenarien bei mir im professionellen Airliner-Cockpit (A320) seit nun fast 10 Jahren wirksam für jeden Manager sicht- und erlebbar machen.

Daher gehört das Cockpit für mich noch immer, auch in meinen Mandaten, zum integrierten Bestandteil die Grundsätze und Regeln einer Lernenden Organisation nach dem Vorbild des Crew-Resouce-Management (Wikipedia) der Luftfahrt zu lehren und erfolgreich in der Führungspraxis umzusetzen.

Die Luftfahrt lebt diese Führungs- und Arbeitsregeln seit fast 4 Jahrzehnten vor.

Freitag, 17. Februar 2023

Führen lernt man am besten durch Führen

Kann man führen lernen? Wie kann man sich darauf vorbereiten? Fragen, die angehende Führungskräfte mir oft stellen.

 Zur ersten Frage – kann man führen lernen?

Aus meiner Erfahrung, und ich habe meine erste Führungsposition mit 23 Jahren ausgeübt und seitdem viele Führungskräfte ausgebildet, kann man es bedingt lernen.

Warum bedingt?

Es gehört ein gewisses Talent dazu, ein gesundes Maß an Empathie und die zumindest im Grundsatz entwickelte Fähigkeit zur Selbstreflexion und Kommunikation.

Und eine weitere Eigenschaft sollte entwickelt sein: die Liebe zu Menschen. Führen ist in erster Linie Vertrauenssache, also eine intakte Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter/in. Beziehungen entstehen und leben immer auf der menschlichen Ebene. Als Führungskraft darf ich meine mir anvertrauten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht als Erfüllungsgehilfe einer Sache sehen. Ein solches Benutzen von Menschen führt immer zu einer gestörten Beziehung und damit zu einer ineffizienten und fehleranfälligen Kommunikation. 


Welchen Mix an Wissen, Fähigkeiten und Erfahrung benötige ich, um eine gute Führungskraft zu werden?

Die beiden besten Führungsschulen, die ich erlebt habe, waren die der Bundeswehr (in meinem Fall die Offiziersschulen der Marine) und die Ausbildung zum Flugkapitän nach dem Modell des Crew-Resource-Management.

In beiden Fällen stimmten Modell, Methodik und Didaktik zielrichtig für die darauffolgenden Führungsaufgaben.

Insbesondere das Crew-Resource-Management (CRM) lässt sich als Modell sehr gut in die betriebliche Führungspraxis überführen. Betreffend Methodik und Didaktik sind beide erwähnten Schulen, also die des Militärs als auch die renommierter Verkehrsfluggesellschaften für die Übertragung in Unternehmen und Organisationen gut geeignet.

Über die Inhalte des CRM der Verkehrsluftfahrt und den Transfer über die Lernende Organisation habe ich  in meinen Videos und meinen Blog-Beiträgen schon viel geschrieben. Daher konzentriere ich hier auf die in beiden Führungsschulen gleiche Methodik und Didaktik mit denen angehende Führungskräfte zu guten Führungskräften entwickelt werden.

Die Kernpunkte sind:

  • Kommuniziert wird in klarer, prägnanter Empfängersprache und nicht in einer semi-psychologischen Sprachwelt, die zwar gut klingt, aber oft aussagelos und wenig über das tatsächliche Führungsverhalten aussagt. Und – sprechen Sie, wenn immer möglich, zu deutschen Muttersprachlern deutsch!
  • Theoretisches Wissen über Führung wird parallel zur praktischen Führung vermittelt. Getrennt oder Vorab gelehrter Theorie fehlt jeder Praxisbezug und das Wissen bleibt totes Wissen.
  • Fähigkeiten werden im Training und Mentoring der praktischen Führung gelehrt und vertieft. Eine angehende Führungskraft braucht Praxis, Praxis und nochmal Praxis. Ein führungserfahrener Mentor begleitet junge Führungskräfte im Führungsalltag.
  • Mentoren, die Führen nur aus Theorien kennen, können jungen Führungskräften kaum praktische Hilfestellung geben. Mentoren sollten Vorbilder guter Führung sein! Idealerweise ist der Mentor die eigene, erfahrene Führungskraft.
  • Angehende Führungskräfte brauchen zeitnahe Reflexion. Daher nutzen Mentoren bzw. Vorgesetzte und Instruktoren nach Trainings- und Praxiseinheiten das De-Briefing als festen Bestandteil der Ausbildung, manchmal mehrfach täglich.
  • Später folgen nach Phasen unbegleiteten Führungsalltages immer wieder Recurrent-Episoden, mal in Form von Trainings, mal als reine Reflexion mal in Kombination von beidem. Diese Recurrent-Abschnitte begleiten Führungskräfte ein ganzes Führungsleben lang.
 Hier werden nicht nur die klassischen Führungsthemen wie Kommunikation, Entscheiden und Stressverhalten gespiegelt und immer wieder korrigiert, sondern auch die Fähigkeit zur Selbstreflexion trainiert, und letztlich bewertet.
  • Last but not least gibt es noch einen großen praktischen Unterschied beider Führungsschulen zur bei uns praktizierten betrieblichen Führung:
 der Auswahlprozess der Menschen, die überhaupt ein Angebot zur Führung von Menschen bekommen.
 Im Betriebsalltag entscheidet meist die fachliche Qualifikation, weniger die tatsächlichen Eigenschaften (Persönlichkeitsmerkmale) einer guten Führungskraft.
 So fallen in den namhaften Verkehrsfliegerschulen bis zu 80% der Bewerber durch. Weniger wegen fachlicher Defizite oder gesundheitlicher Mängel, sondern wegen ungeeigneter Persönlichkeitsmerkmale in Bezug auf Kommunikationsvermögen und Teamfähigkeit. Alpha-Menschen sind in der Regel keine guten Führungskräfte, auch im Cockpit nicht!

Gute Führung wird nicht durch formelle Titel gezeichnet. Gute Führung entsteht in der informellen Welt, der natürlichen Anerkennung als Führungskraft. Gute Führungskräfte sind beliebt, sie werden nicht verlassen, auch nicht, wenn es mal anstrengend wird.
 Gute Führungskräfte zeigen mit ihren Teams nachhaltige Spitzenleistung bei hoher Arbeitszufriedenheit, egal ob draußen die Sonne scheint, es stürmt oder schneit.
 
Eine informell anerkannte Führungskraft darf auf eine situationsgerechte Führungsdynamik zurückgreifen, die ihren Schwerpunkt in kooperativer und konsultativer Entscheidungsfindung hat.



Eine gute Führungskraft gibt gerne Verantwortung ab, sie macht sich ersetzbar. Das Team ist froh, wenn sie da ist, aber es ist keine Katastrophe, wenn sie mal nicht (mehr) da ist.


Einer meiner Mentoren sagte mir in meinen ersten Jahren als Führungskraft:
 
Erstklassige Führungskräfte stellen erstklassige Mitarbeiter ein, zweitklassige nehmen drittklassige.
 
So habe ich es mir zur vornehmsten Aufgabe gemacht, beim Antritt einer Führungsposition sofort nach Mitarbeitern/innen Ausschau zu halten, die mich ersetzen können.

Und – ich bin immer auf der Suche nach den Rohdiamanten unter meinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, in denen gute Führungs-Eigenschaften schlummern. Das schöne ist, ich finde in jeder Organisation solche Menschen, ich muss nur nach den richtigen Eigenschaften schauen. Formelle Titel gehören bei mir nicht dazu!

Samstag, 26. November 2022

Digitalisierung – Fluch und Segen dicht zusammen

Im Moment ist er in aller Munde, der „digitale Fortschritt“ in der Arbeitswelt. Oft wird hier alles untergebracht, was mit „digital“ überhaupt zu tun, oder auch nicht zu tun hat.

Begriffe wie „digital Leadership“ oder „digitale Transformation“ allgemein zu gebrauchen, ohne Präzisierung des eigentlichen Themas, halte ich für überflüssig. Es nützt gar nichts.

„Digital Leadership“ hat nichts mit Technik zu tun


Der laufende Fortschritt und die damit verbundene Automatisierung haben schon immer hohe Anforderungen an Führung und Organisation gestellt. Das ist seit der Nutzung der ersten EDV in den 1970er-Jahren für die meisten Unternehmen spürbar geworden.

Was ist also neu?

Welche Anforderungen sind außergewöhnlich und brauchen völlig neue Ansätze?












Neu ist seit etwa 10 Jahren die globale Vernetzung im Arbeitsleben. Auf einmal beschleunigen sich Prozesse erheblich. Somit müssen die Entscheidungs- und Veränderungsgeschwindigkeiten angepasst werden. Die digitale Technik ist nur der Treiber, ein Mittel zum Zweck. Natürlich müssen auch Führungskr.fte der 1. Ebene verstehen, welche Möglichkeiten und Anforderungen sich damit ergeben. Aber Computerspezialisten müssen sie nicht werden. 

Die bisherigen Führungsstrukturen, gefangen in einer mehr als 100 Jahre alten Führungskultur, sind zu fehleranfällig und langsam. Da setzt „digital Leadership“ an. Prof. Utho Creusen prägte den Begriff aus dieser erkannten Notwendigkeit heraus. Das hat mit Wissen über Computertechnik rein gar nichts zu tun, sondern ausschließlich mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen für das Miteinanderarbeiten, vor allem im Team.

Das erfolgreiche Team prägt „Digital Leadership“


Das Führungs- und Arbeitsmodell Crew-Resource-Management (CRM) der Verkehrsluftfahrt greift genau diese Herausforderung auf, wenn auch aus einem anderen Grund. Hier ist es die dringend notwendige Sicherheit, denn Fehler enden in der Flugzeugkabine schnell tödlich. Das war jedoch schon vor 30 Jahren – da hat in Unternehmen noch kein Mensch von „digital Leadership“ gesprochen. Der große Unterschied zu Creusens Ansätzen ist, dass das CRM ein schon lange in der Praxis bewährtes und lehrbares Modell ist. Letztlich brauchte man in Cockpit und Kabine schnell wirksame und nachweisbare Verbesserungen in Sachen Team und Führung.

Denn in der (mangelnden) Zusammenarbeit lagen die tödlichen Fehlerursachen. Das war die Erkenntnis der Forschung. Auch Harvard-Professor J. Richard Hackman, weltweit renommierter Teamforscher, kommt in seinem bekannten Standardwerk „Leading Teams“ zu den gleichen Ergebnissen und prägte damit das Crew-Resource-Management wesentlich mit.

Doch die Anforderungen durch Digitalisierung und Automatisierung der Arbeitswelt enden hier bei Weitem nicht. Auch das war und ist Ergebnis der CRM-Forschung.

Schnittstelle Mensch-Maschine entscheidet über Erfolg


Organisationsstrukturen und standardisierte Prozesse (SOPs) müssen immer wieder sehr genau überdacht und teilweise neu erfunden werden um die Schnittstelle Mensch- Maschine nicht zu einer (tödlichen) Falle werden zu lassen. Je mehr Automatisierung, desto kritischer wird diese Schnittstellen-Problematik. Unser Gehirn ist nämlich nur begrenzt „umprogrammierbar“. Es folgt jahrtausendelang antrainierten und weitervererbten Handlungsmustern.

Es gibt wohl weltweit keinen Arbeitsplatz, der „digitalisierter“ ist als ein modernes Flugzeugcockpit. Es gleicht mehr Raumschiff Enterprise als der allgemeinen Vorstellung vom alten Haudegen mit Lederkappe und Fliegerbrille, der vor Instrumenten mit zitternden Anzeigenadeln sitzt.

In den 1980er-Jahren, mit der Einführung des voll digitalisierten Cockpits im Airbus A320, wurde der Arbeitsplatz Cockpit neu erfunden. Damals passierte es, dass trotz erstklassiger Ausbildung und hervorragenden Teamgeists zwei der erfahrensten Piloten der Air France nicht schnell genug reagierten. Nur ein Jahr nach dem Erstflug steuerten sie diesen Wunderjet, vollbesetzt mit Pressevertretern und VIPs, vor den Augen der Zuschauer in einen Wald im französischen Mühlhausen wo die Maschine in Flammen aufging.

Die Computer haben Gehirne und Wahrnehmungen getäuscht. Die völlig neuen Handlungsmuster waren, obwohl zigmal vorher trainiert, in diesem Moment nicht schnell genug abrufbar. Bei einem Betriebssystem für PCs würde man sagen, das Cockpit hatte Usability- Schwachstellen, die in einer Grenzsituation den Nutzer (hier die Piloten) überfordert hatten. Es fehlten Erfahrungswerte und erprobte SOPs für diese neue Schnittstelle Mensch- Maschine.

Diese Flugzeugbaureihe wird primär von drei leistungsstarken Bordrechnern geflogen, denen die Besatzung per Solleingaben (Sidestick, Leistungshebel, ...) ihre Absichten bekannt gibt. Eine Revolution im zivilen Flugzeugbau.

Nur 3 Jahre später fiel wenige Kilometer vom ersten Unglück entfernt, beim Nacht-Anflug in Strasbourg, ebenfalls ein A320 vom Himmel. Die Ursache war die gleiche wie beim ersten Absturz: Missverständnis Mensch-Maschine (Computer).

Und es ging weiter: 1993 verunglückte wieder ein A320, dieses Mal der Lufthansa, bei einer Routinelandung auf dem eigentlich völlig unkritischen Verkehrsflughafen der polnischen Hauptstadt Warschau. Verantwortliche Piloten waren zwei hocherfahrene Flugkapitäne, von denen einer sogar Ausbildungs- und Prüfkapitän war.

Eine wesentliche Ursache des Unfalls: Die von den Piloten nicht verstandene Reaktion des Bordcomputers, ausgelöst durch besondere Nässe auf der Landebahn. Nun war es ja nicht so, dass nach den ersten Zwischenfällen nicht gehandelt wurde. Immer wieder wurden die Steuer- und Navigationssoftware der Maschine verbessert, die Bedienungssicherheit erhöht und die SOPs angepasst.



Wegen der Zwischenfälle mit der neuen Fly by Wire Steuerung entschied Boeing sich erst etwa 10 Jahre später für diese Technik. Sie wurde mit der Boeing 777 (Triple Seven) Ende 1995 in den Liniendienst übernommen. Boeing verzichtet bis heute auf die Sidesticks und verwendet klassische Steuerhörner als Eingabeinstrument für die Computer.

Die Sidestick-Steuerung spielte eine wesentliche Rolle beim wohl tragischsten Mensch- Maschine-Unfall der Luftfahrtgeschichte. Im Juni 2009 stürzte der Air France Flug 447, ein Airbus A330, nachts mitten über dem Südatlantik ab und blieb fast zwei Jahre verschollen. In den im Meer versinkenden Trümmerteilen des Airliner starben 228 Menschen. Erst bei der 5. Suchaktion fand man die beiden zum Glück noch intakten Flight- und Voicerecorder.

Endlich konnte das bis dahin völlig rätselhafte Verschwinden dieses Großraumjets aufklärt werden. Die Ursache: kompletter Kommunikationsbruch zwischen Mensch und Maschine, ausgelöst durch eine Kleinigkeit. Und so stürzte ein völlig flugfähiges Flugzeug wegen einer komplett von den Bordcomputern verwirrten Cockpitbesatzung, bestehend aus drei Piloten (Kapitän und zwei 1. Offizieren) ins Meer. Chesley B. Sullenberger, der Held vom Hudson, der im Januar 2009 einen Airbus A320 nach doppeltem Triebwerksausfall unmittelbar nach dem Start sicher auf dem Hudson River vor der Skyline New-Yorks notwasserte, kommentierte den Crash über dem Atlantik mit den Worten: „Mit einer Boeing wäre der Unfall weniger wahrscheinlich gewesen.“ Er hat aus meiner Sicht recht.

Die Gründe: weniger Digitalisierung, weniger neue Handlungsmuster.

Erst nach dem A330 Unfall 2009, 18 Jahre nach Einführung dieses voll digitalisierten Großcomputers mit zwei Piloten, haben der Hersteller und Airlines Ausbildung, Usability und Software so perfektioniert, dass der Mensch auch zur voll digitalen Flugzeug-Technik passt und Fehler dieser Art so unwahrscheinlich sind wie in einem analogen Cockpit. Heute sind die Computer im Cockpit beim Menschen wirklich angekommen.

Ich habe selbst diesen Umstieg miterlebt: vom fliegenden „Uhrenladen“ zu Captain Kirk. Ich musste mein Pilotenleben noch einmal neu erfinden. Computer haben heute noch einen gewaltigen Nachteil gegenüber uns Menschen: sie können in hochkomplexen Situationen nicht im Voraus erkennen und danach handeln, nicht schnell genug selbst lernen und nur auf ihre begrenzt sensible Sensorik reagieren. Um den Menschen im Cockpit oder im Auto komplett zu ersetzen, sind sie viel zu langsam.

Wir werden also an der Schnittstelle Mensch-Maschine noch lange arbeiten müssen, da die Computer in wesentlichen Bereichen ihren Job ohne den Menschen nicht richtig erledigen können.

Nur an dieser einen von mir beschriebenen Schnittstellen-Problematik sehen Sie, dass ein einseitiges, undifferenziertes Einfordern der Digitalisierung nicht immer zielführend ist. Als Argument für fehlenden Digitalisierungswillen in den Führungsetagen wird von der Softwareindustrie gerne das fehlende Verständnis der digitalen Technologien, z.B. cloudbasierten Datenspeichern und Netzwerken angeführt. Daran hängen jedoch neben einer notwendigen neuen Führungskultur (digital Leadership) eben auch komplett neu zu definierende Prozesse und SOPs.

So ist eine wesentliche Folge der CRM-Forschung im digitalen Cockpit die Einführung des „effective monitoring“ gewesen. Es hilft wirksam, Unglücke, wie oben beschrieben, zu verhindern. Aus diesem Wissen wurde die Position des „pilot not flying (PNF)“ in die Stelle des „pilot monitoring (PM)“ verändert. Das war eine beutende Wendung, auch in der bestehenden hierarchischen Ordnung.

Amt und Funktion der Piloten wurden erstmals deutlich voneinander getrennt.

So kann der Kapitän auf dem einen Flugabschnitt „pilot flying“ (PF), auf dem anderen PM sein. Die ganze Zeit bleibt er aber Kapitän und hat die letzte Entscheidungsgewalt. Die Rolle des PM hat als primäre Aufgabe, die Flugdurchführung und Leistung des PF zu überwachen, gefährliche Abweichungen oder Fehlleistungen festzustellen und klar zu kommunizieren. Er trägt als PM genauso wie der PF die volle Verantwortung für die sichere Flugzeugführung. Neu war auch, dass diese Feststellungen von Fehlern absolut keine negativen Konsequenzen für die Akteure haben.

Diese Veränderungen sind wesentlich durch die Digitalisierung im Mensch-Maschine Arbeitsraum bestimmt worden.

Es wäre also fahrlässig, jedem Drängen nach digitalisierten Fortschritten unreflektiert nachzugeben. Digitalisierung muss schrittweise und unter genauer Analyse der umgebenden Arbeitsabläufe stattfinden. Dazu braucht es fachlich qualifiziertes Personal – nicht nur aus der IT.

Schnittstelle Softwareingenieur nimmt direkten Einfluss


Eine andere Schnittstelle wurde im technologischen Cockpit-Fortschritt ebenfalls neu definiert.

Mit der Übernahme wesentlicher Steuerelemente im Flugzeug durch Computer nahm erstmals auch ein Softwareingenieur direkten Einfluss auf die Flugzeugsteuerung. Mit dem Steuerhorn oder Sidestick gibt der Pilot Sollwerte an den Rechner, der interpretiert nach den einprogrammierten Mustern und setzt dann erst die Hydraulik zum Ansteuern der Ruder und Klappen in Gang.
Das gleiche gilt für die Triebwerke.

Mit dieser tiefgreifenden Veränderung wurden auch ganz neue Kommunikations- Anforderungen definiert. Softwareingenieure mussten zuerst einmal lernen, ohne „Übersetzer“ mit Piloten und Technikern zu kommunizieren – so, dass sie einander verstanden.

Exakt diese Anforderung können wir auf jedes Unternehmen übertragen, das digitalisierte Landschaften betritt. Hier ist noch viel Arbeit zu leisten, mindestens genau so viel, wie in der hierarchischen Führungskultur.

Ich selbst habe mehr als einmal erlebt, dass es zwischen IT und den verschiedenen operativen Arbeitsebenen tiefe Zerwürfnisse gab. Sender und Empfänger arbeiten oft auf verschiedenen Frequenzen. Echte Kommunikation gibt es gar nicht, nur gegenseitige Vorwürfe.

Dieses Sender-Empfänger-Problem ist ebenfalls ein Kernthema im CRM der Luftfahrt. Auch die gesamte Luftfahrtentwicklung ist heute, in der 6. Stufe des CRM, auf dieses zukunftsweisende Führungs- und Arbeitsmodell umgestellt.

Richtige und effektive Kommunikation benötigt ein taugliches, einfach verständliches und klares Kommunikationsmodell mit konkreten Regeln. Sonst klappt es nicht. Auch das ist eine Erkenntnis der CRM-Forschung.

Was wir brauchen sind also weniger die ewigen Rufer nach digitalem Fortschritt, sondern die führenden Köpfe in Unternehmen, die die notwendigen Veränderungen umsichtig planen und konsequent Schritt für Schritt umsetzen.

Dabei muss jeder im Unternehmen einbezogen und dauerhaft gehört werden. Heute ist in der Luftfahrt jede Reinigungskraft, jedes Ladepersonal und jeder Tankwart ein aktives Mitglied im Führungs- und Arbeitsmodell Crew-Resource-Management. In der Luftfahrt hat man nicht nur verstanden, man lebt es auch – seit 30 Jahren mit durchschlagendem Erfolg.

Digitalen Fortschritt kann man eben nicht alleine technisch erreichen!

Zwei Standardwerke für die, die tiefer einsteigen wollen


Wikipedias Definitionen


Spannende Berichte der erwähnten Flugzeug-Unfälle


Samstag, 19. November 2022

Die K.O. Kriterien einer Lernenden Organisation

Zum Kulturwandel in Unternehmen gibt es viel (richtiges) Wissen, viele Halbwahrheiten und noch mehr kosmetische Rhetorik.

Der Erfolg des Wandels in der Führungs- und Arbeitskultur beginnt mit der Führung von Mitarbeitern/innen, und zwar ganz oben.

Die Erfüllung dreier Kriterien entscheiden dabei im Wesentlichen über den Erfolg:

  • Das Vorhandensein einer psychologisch sicheren Atmosphäre innerhalb der hierarchischen Linien
  • Die notwendige Zeit für Führungsaufgaben
  • Vorbildhaftes Verhalten als Führungskraft

Fehlt nur eines dieser Kriterien, auch nur teilweise, ist eine Führungs- und Arbeitskultur, wie in einer Lernenden Organisation nach dem Vorbild des außerordentlich erfolgreichen Crew-Resource-Managements der Luftfahrt, nicht zu verwirklichen.

Sie scheitert, und endet in kosmetischen Maßnahmen, die letztlich mehr Frust hinterlassen als vor dem Change-Versuch.

Das Scheitern eines Kulturwandels und der damit verbundenen Changeprozesse ist immer ein Scheitern der oberen Führungskräfte.

Sonntag, 3. Juli 2022

38-Stunden Woche, 4-Tage Woche, 42-Stunden Woche? Thema verfehlt

Mit dem Thema Arbeitszeit führen wir eine Diskussion am Thema vorbei.

Die Arbeitszeit ist nicht entscheidend, sondern die Leistung. Die ist im Wesentlichen durch Effizienz zu steigern. Effizienz bekomme ich nur durch zufriedene Mitarbeiter. Denn nur sie sind zu Spitzenleistungen bereit und fähig, unabhängig von der Wochenarbeitszeit.

Menschen, die zufrieden in ihrem Job sind, arbeiten gerne und finden ihre Balance, ob mit 38 oder 50 Stunden Wochenarbeitszeit. Das ist individuell.

Wir haben kein Arbeitszeitproblem, sondern ein Führungsproblem. Denn Führung bestimmt die Zufriedenheit, weil Führung die Bedingungen und die Beziehungen zu Menschen in einer Hierarchie bestimmt.

Samstag, 16. April 2022

Die 4 Säulen richtig gelebter Resilienz

Resilienz ist mit den richtigen Verhaltensmustern in einer Lernenden Organisation eng verbunden.

In der Praxis begegnet mir jedoch häufig falsch ausgelebte Resilienz.

Viele Menschen geraten dadurch auf einen Ego-Trip unter dem Leitsatz:

"Ich komme an erster Stelle und meine Umgebung muss sich danach richten"

Gepaart mit der gesellschaftlichen Entwicklung hin zur Unverbindlichkeit, falsch verstandener Authentizität und Versingelung gibt das eine gefährliche Mischung und ist für die Lernende Organisation nicht zulässig oder gar tauglich.Versingelung

Vor kurzem las ich in einem vor Ärzten gehaltenen Vortrag von Dr. Thomas Müller, einem über die Grenzen anerkannten Kriminalpsychologen aus Liechtenstein über die 4 Säulen richtig verstandener Resilienz.


In meinem kurzen Video erläutere ich die Inhalte dieser 4 Säulen kurz und stelle den Zusammenhang zu den Zielen der Lernenden Organisation in meiner Praxis dar.

Samstag, 19. Februar 2022

Die größten Irrtümer in der Digitalisierung und die Folgen

Fast nirgendwo begegnen mir in der Praxis, bei der Einführung einer Lernenden Organisation in Unternehmen, so viel fatale Fehlerketten, wie in Digitalisierungs-Projekten.


Auf meinem einstündigen Flug über die tief winterliche Ostküste der USA von Boston nach New York JFK berichte ich (Video 12 Minuten) u.a. über die schlimmsten Irrtümer solcher Change-Vorhaben, auch in der Luftfahrt.

Leider hat gerade der Mittelstand wenig daraus gelernt und begeht diese Fehler immer wieder.

Die Verhaltensmuster in der Lernenden Organisation, wie ich sie einführe, verhindert solche Fehlentwicklungen. Sie unterbricht die fatalen Fehlerketten auch in Digitalisierung-Vorhaben.