Kann man führen lernen? Wie kann man sich darauf vorbereiten? Fragen, die angehende Führungskräfte mir oft stellen.
Zur ersten Frage – kann man führen lernen?
Aus meiner Erfahrung, und ich habe meine erste Führungsposition mit 23 Jahren ausgeübt und seitdem viele Führungskräfte ausgebildet, kann man es bedingt lernen.
Warum bedingt?
Es gehört ein gewisses Talent dazu, ein gesundes Maß an Empathie und die zumindest im Grundsatz entwickelte Fähigkeit zur Selbstreflexion und Kommunikation.
Und eine weitere Eigenschaft sollte entwickelt sein: die Liebe zu Menschen. Führen ist in erster Linie Vertrauenssache, also eine intakte Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter/in. Beziehungen entstehen und leben immer auf der menschlichen Ebene. Als Führungskraft darf ich meine mir anvertrauten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht als Erfüllungsgehilfe einer Sache sehen. Ein solches Benutzen von Menschen führt immer zu einer gestörten Beziehung und damit zu einer ineffizienten und fehleranfälligen Kommunikation.
Die beiden besten Führungsschulen, die ich erlebt habe, waren die der Bundeswehr (in meinem Fall die Offiziersschulen der Marine) und die Ausbildung zum Flugkapitän nach dem Modell des Crew-Resource-Management.
In beiden Fällen stimmten Modell, Methodik und Didaktik zielrichtig für die darauffolgenden Führungsaufgaben.
Insbesondere das Crew-Resource-Management (CRM) lässt sich als Modell sehr gut in die betriebliche Führungspraxis überführen. Betreffend Methodik und Didaktik sind beide erwähnten Schulen, also die des Militärs als auch die renommierter Verkehrsfluggesellschaften für die Übertragung in Unternehmen und Organisationen gut geeignet.
Über die Inhalte des CRM der Verkehrsluftfahrt und den Transfer über die Lernende Organisation habe ich in meinen Videos und meinen Blog-Beiträgen schon viel geschrieben. Daher konzentriere ich hier auf die in beiden Führungsschulen gleiche Methodik und Didaktik mit denen angehende Führungskräfte zu guten Führungskräften entwickelt werden.
Die Kernpunkte sind:
- Kommuniziert wird in klarer, prägnanter Empfängersprache und nicht in einer semi-psychologischen Sprachwelt, die zwar gut klingt, aber oft aussagelos und wenig über das tatsächliche Führungsverhalten aussagt. Und – sprechen Sie, wenn immer möglich, zu deutschen Muttersprachlern deutsch!
- Theoretisches Wissen über Führung wird parallel zur praktischen Führung vermittelt. Getrennt oder Vorab gelehrter Theorie fehlt jeder Praxisbezug und das Wissen bleibt totes Wissen.
- Fähigkeiten werden im Training und Mentoring der praktischen Führung gelehrt und vertieft. Eine angehende Führungskraft braucht Praxis, Praxis und nochmal Praxis. Ein führungserfahrener Mentor begleitet junge Führungskräfte im Führungsalltag.
- Mentoren, die Führen nur aus Theorien kennen, können jungen Führungskräften kaum praktische Hilfestellung geben. Mentoren sollten Vorbilder guter Führung sein! Idealerweise ist der Mentor die eigene, erfahrene Führungskraft.
- Angehende Führungskräfte brauchen zeitnahe Reflexion. Daher nutzen Mentoren bzw. Vorgesetzte und Instruktoren nach Trainings- und Praxiseinheiten das De-Briefing als festen Bestandteil der Ausbildung, manchmal mehrfach täglich.
- Später folgen nach Phasen unbegleiteten Führungsalltages immer wieder Recurrent-Episoden, mal in Form von Trainings, mal als reine Reflexion mal in Kombination von beidem. Diese Recurrent-Abschnitte begleiten Führungskräfte ein ganzes Führungsleben lang. Hier werden nicht nur die klassischen Führungsthemen wie Kommunikation, Entscheiden und Stressverhalten gespiegelt und immer wieder korrigiert, sondern auch die Fähigkeit zur Selbstreflexion trainiert, und letztlich bewertet.
- Last but not least gibt es noch einen großen praktischen Unterschied beider Führungsschulen zur bei uns praktizierten betrieblichen Führung: der Auswahlprozess der Menschen, die überhaupt ein Angebot zur Führung von Menschen bekommen. Im Betriebsalltag entscheidet meist die fachliche Qualifikation, weniger die tatsächlichen Eigenschaften (Persönlichkeitsmerkmale) einer guten Führungskraft. So fallen in den namhaften Verkehrsfliegerschulen bis zu 80% der Bewerber durch. Weniger wegen fachlicher Defizite oder gesundheitlicher Mängel, sondern wegen ungeeigneter Persönlichkeitsmerkmale in Bezug auf Kommunikationsvermögen und Teamfähigkeit. Alpha-Menschen sind in der Regel keine guten Führungskräfte, auch im Cockpit nicht!