Sie sind in Hochstimmung, Ihr Geschäft läuft wie am Schnürchen. Vergessen sind die Zeiten, wo die morgendlichen Auftragseingänge Ihnen Sorgenfalten ins Gesicht trieben.
Jetzt heißt es, das Wachstum in Output umzusetzen um auch alle Kunden bedienen zu können. Alles muss schneller laufen, ausruhen können wir uns später.
Schnelles Wachstum ist toll.
Umsatz und Liquidität steigen an.
Ab und zu erinnert der Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer mal an den Aufbau oder die Anpassung eines geeigneten Controllings. Ja, später, der Kunde geht vor.
Mitarbeiter werden eben mal schnell gesucht und eingestellt.
Die Sonne scheint, der Himmel ist blau.
So werden aus Inhaber und wenigen Mitarbeitern in kurzer Zeit Mittelstandsunternehmen mit mehr als 60, 80 Mitarbeitern oder mehr, aus 100 Mitarbeitern 1000.
Der Chef und seine engsten Gefolgsleute sind immer auf dem Sprung, das Geschäft hat sich internationalisiert. Es muss viel gereist werden.
Kennen Sie das?
Ich kenne es aus eigener Erfahrung gut. Das Unternehmen blüht.
Es gibt Branchen, die gerade in den letzten Jahren genau diese Sonnenseite erlebten und noch darin segeln. Ein Beispiel ist alles, was mit Bau zu tun hat. Die Flucht in das Betongold, Zinsen gibt es ja keine mehr.
Es wird nicht selten versäumt, diesem Wachstum parallel eine geordnete, passende und nach vorne blickende Führungs-, Kontroll- und Organisationsstruktur folgen zu lassen.
Mitarbeiter werden in der Führung mehr oder weniger sich selbst überlassen.
Der Chef versucht weiter bis nach unten mit zu regieren. Er hat es früher ja auch so gemacht und man muss ja über alles Bescheid wissen. Er hat es im Griff, vertraut seinem Bauchgefühl, was ihn ja bis dahin erfolgreich vorangebracht hat.
Dann, eines morgens, übergibt ihm ein Mitarbeiter eine Notiz aus der Produktion.
Ein in fast allen Produkten eingesetztes Bauteil weist seit Jahren einen sicherheitsrelevanten Konstruktionsfehler auf. Dieses Bauteil ist nicht zu wechseln, da so verbaut, dass nur eine Neuproduktion des Endproduktes in Frage kommt.
Jetzt übertrage ich diese Situation mal auf das Cockpit und die Kabine eines Verkehrsflugzeuges.
Bestes Wetter, blauer Himmel. Im Flieger wurden wesentliche Navigationssysteme ausgebaut oder sind defekt. Nur der Kapitän kennt das Flugzeugmuster aus Erfahrung, alle anderen Besatzungsmitglieder wurden schnell angelernt. Sind ja erwachsene Leute, die bekommen das schon hin. Außerdem kennt der Captain die Strecke ja auswendig.
Beim Abdocken vom Gate stellt der Copilot fest, dass keine Checklisten an Bord sind.
Egal, der Kapitän kann das eh alles auswendig.
Was die Crew hinten in der Kabine macht, weiß das Cockpit nicht so genau. Die werden sich schon melden, wenn was ist.
Die Kraftstoffanzeigen funktionieren nicht richtig. Macht nichts, der Kapitän hat die Maschine gestern noch mit ausreichend Sprit für die heutige Strecke abgestellt. Der kann ja nicht verdunstet sein.
Die Kiste ist voll und die Leute wollen in ihren Urlaub. Also nicht lange fackeln und los.
Ist ja blauer Himmel und gutes Wetter.
Start, alles bestens, gute Stimmung, Hebel nach vorne.
Auf halber Strecke, der Kapitän macht vorsichtshalber fast alles selbst, da der Copilot den Flieger ja nicht so kennt, kommt die Nachricht, dass der Zielflughafen wegen einer Bombendrohung geschlossen wurde.
Er liegt auf einer Insel und der nächste passende Flughafen liegt weit auf dem Festland.
Die Karten dafür sind nicht zu finden.
Aber egal, ungefähr Nordwestkurs, das passt schon.
Bei dem Wetter sieht man alles ja rechtzeitig und der Kapitän kennt sich da aus.
Dann erscheint am Horizont, nahe dem Festland eine dunkle Schlechtwetterfront, sehr mächtig, sehr groß.
Das Wetterradar ist defekt, also auf Verdacht mal weiterfliegen. Klappt schon.
Weder Copilot noch Kabinencrew wissen, was der Captain eigentlich jetzt vorhat.
Sie fragen mal kurz nach, weisen auch auf die deutlich verlängerte Flugzeit hin und ob der Kraftstoff denn reicht. Der Kapitän reagiert darauf gar nicht.
Man will ihn auch nicht weiter stören, er hat ja jetzt alle Hände voll zu tun und er kennt das ja. Er weiß schon was er macht.
Mittlerweile hat sich die gesamte Crew komplett der Situation ergeben.
Jetzt in heftigen Gewitterturbulenzen fliegend blinken die Kraftstoff-Warnleuchten beider Triebwerke nacheinander auf. Die Pumpen ziehen Luft, der Kraftstoffdruck reicht nicht mehr aus die Motoren am Leben zu erhalten.
Plötzlich wird es leise im Flugzeug, und dunkel ...
Sie glauben nicht, dass so etwas passiert ist?
Doch, bis zur Einführung des Crew-Resource-Managements (CRM) in der Verkehrsluftfahrt vor 25 Jahren waren solche und ähnliche Szenarien weltweit häufig der Auslöser von Totalverlusten. Auch renommierte Airlines waren davon betroffen.
Die Untersuchungsergebnisse darüber füllen Bände von Büchern.
Erst mit dem CRM ist die Quote solcher Unfallszenarien bis heute auf nahezu Null gesunken.
Und jetzt untersuchen Sie einmal die Ursachen von Unternehmensinsolvenzen oder Fast Zusammenbrüchen, meistens mit gewaltigen Arbeitsplatzverlusten und einem Eigentümerwechsel verbunden.
Sie werden erschreckende Parallelen zur Situation in der Verkehrsluftfahrt vor 25 Jahren feststellen.
Und wie fliegen Sie Ihr Unternehmen?
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