Samstag, 29. Dezember 2018

In de-briefing, the chance of critical learning arises when...

A great lecture (Link LinkedIn) by Chesley Sullenberger on the importance of de-briefings. Modern behavioural research confirms that critical learning is only possible at all in de-briefings.

In leadership culture of Crew-Resource-Management it works pretty well due atmosphere of psychological safety – no one is „guilty“, no one will be punished, no one loses face, everything may be said, nobody is afraid. Only then critical learning really takes place.


This requires a lot of training for crews, not just in terms of expertise. But also in matters of reflection, self-control and team-behaviour. Aviation has understood this - business and hospitals still have a long way to go.

(Deutsche Übersetzung)

Ein großartiger Vortrag (Link zum Original-Vortrag auf LinkedIn) von Chesley Sullenberger über die Bedeutung von De-Briefings.
Die moderne Verhaltensforschung bestätigt, dass nur in De-Briefings kritisches Lernen überhaupt möglich ist.

In der Führungskultur des Crew-Ressourcen-Managements funktioniert es ziemlich gut, aufgrund der Atmosphäre psychologischer Sicherheit - niemand ist "schuldig", niemand wird "bestraft", niemand verliert das Gesicht, alles kann gesagt werden, niemand hat Angst.
Nur dann findet das kritische Lernen wirklich statt.
Das erfordert ein fortwährendes, umfangreiches Training der Besatzungen, nicht nur in Bezug auf das Fachwissen, sondern auch in Sachen Reflexion, Selbststeuerung und Teamverhalten.

Die Luftfahrt hat das verstanden - Wirtschaft und Kliniken haben noch einen langen Weg vor sich.

Donnerstag, 27. Dezember 2018

Unternehmen brauchen nicht Leute, die besonders viel über Führung wissen

“Many leadership development programs focus on learning about leadership. But organizations need better leaders, not managers who are more knowledgeable on leadership.”

Das sagt Henry Mintzberg

(Meine Übersetzung: „Führungskräfte-Entwicklung konzentriert sich häufig auf Wissen über Führung. Aber die Unternehmen brauchen bessere Führungskräfte, nicht Leute, die besonders viel über Führung wissen.“)

Das Ergebnis beschreibt Mintzberg in seinem Video recht deutlich, hier einige Aussagen:

  • Führungskräfte handeln sprunghaft, unterbrechen ohne Struktur und klares Ziel laufende Prozesse
  • Führungskräfte denken meistens kurzfristig
  • Führungskräfte verursachen Hektik
  • Die Strategien der Führungskräfte stammen selten aus einem geplanten und durchdachten Prozess. Sie werden aus kurzfristiger Ergebnisorientierung oder Notfällen betrieben
  • Führungskräfte kann man nicht im Klassenraum aus Büchern ausbilden

Henry Mintzberg gehört zu den erfolgreichsten und anerkanntesten Managertrainern der Welt. Seine Erkenntnisse hat er nicht aus Büchern oder der Universität, sondern aus der Praxis in Unternehmen aller Branchen.

Das Crew-Resource-Management (CRM) der Verkehrsluftfahrt kommt nach mehr als 30 Jahren Praxis und 5 Entwicklungsstufen genau zu den gleichen Ergebnissen:

Führen KANN man nicht nur lernen, man MUSS es!

Dazu bedarf es eines lehrtauglichen, wissenschaftlich fundierten Modells und ständigen Trainings.

Eine gute Fachkraft ist noch lange keine gute Führungskraft.

Das war damals die bittere Erkenntnis in der Verkehrsluftfahrt.
Fachlich sehr gut ausgebildete Flugkapitäne mit jahrzehntelanger Erfahrung und eine ausgereifte technische Umgebung reichten nicht aus, die Flugzeuge zu einem wirklich sicheren Verkehrsmittel zu machen.
Erst durch die Umsetzung des CRM mit Hilfe vieler Trainings entstanden aus vermeintlichen Teams echte Teams, ausgestattet mit wirkungsvoller Teamintelligenz.
Fortan gingen die Unglücke bei den Airlines um über 90% zurück.

Die meisten Unternehmen stehen in Sachen Führungsqualität und Teamintelligenz dort, wo die Luftfahrt vor dem CRM, also vor 1980, gestanden hat.
Die Ergebnisse können wir täglich in der Zeitung lesen.



Mintzberg setzt in Managerworkshops auf realistische Simulationen und die Peer-Group, genau wie das Crew-Resource-Management.

Nur wenn das Training starke Emotionen auslöst, die sofort verarbeitet und in Erkenntnisse umgesetzt werden, ist es wirklich nachhaltig.



Eine Trainingsmethode, die ich mit 30 Jahren praktischer Führungserfahrung zu 100% richtig finde.
Daher setzen auch wir darauf.

Freitag, 21. Dezember 2018

Bleiben Sie sachlich – von wegen

In der Forschung zum Crew-Resource-Management (CRM) gewann man sehr schnell die Erkenntnis, dass in der erfolgreichen Kommunikation der Schlüssel für effizientes Führen steckt.

Zwar hatte schon der Hamburger Kommunikationswissenschaftler Schulz von Thun mit seinem bekannten Kommunikationsquadrat die vier Seiten einer Nachricht definiert. Die Aussage alleine ist jedoch „nur“ eine Erkenntnis, keine Anleitung für erfolgreiches Führen.

Erst 1993 beschrieb die erste Ausgabe des Buches Crew Resource Management von Kanki, Helmreich und Anca eine für die Führungsmethode des CRM brauchbare Umsetzung dieser vier Seiten.

Kommunikation hat so viele Aufgaben, dass sie wesentlichen Einfluss auf Teamleistung und Effizienz hat.
 Viele Versuche und wissenschaftliche Testreihen mit Crews haben dabei eindeutig belegt:

Vor allem das Kommunikationsverhalten des Teamführers (hier der Kapitän) steuert unmittelbar die Leistung und Effizienz seiner Mannschaft

UND

die Beziehung (Kommunikationsquadrat) zwischen Sender und Empfänger ist der entscheidende Faktor für das Gelingen. Ist die Beziehung gestört, hat der Sachinhalt kaum bis keine Chance anzukommen! Die Kommunikation wird ineffizient bis destruktiv.


Jeder der hier aufgeführten 5 Punkte erfüllt in der Praxis mehrere Aufgaben zugleich.

Dabei bestimmt das erste Zusammentreffen eines Teams wesentlich seine weitere Leistungs- und Effizienzkurve.

Ein Beispiel:


Das Briefing vor dem Abflug durch den Kapitän hat einen sehr hohen Stellenwert und die Kommunikation erfüllt hier mehrere Aufgaben im Team:


  • Es gibt dem Team (hier der Crew) alle relevanten Informationen für den Flug.
  • Es erlaubt dem Kapitän sein Führungsverhalten und für ihn wichtige Punkte transparent zu machen und eine positive hierarchische Beziehung zu seiner Crew aufzubauen.
  • Es gibt dem Team Sicherheit, da es das Führungsverhalten und die für den Kapitän wichtigen Punkte jetzt einschätzen kann.
  • Es gibt der Crew Gelegenheit, Fragen zu stellen, wichtige Punkte einzubringen und Unklarheiten zu beseitigen.

Merke:



Der Verlauf dieses ersten Briefings bestimmt wesentlich die Team-Performance! Daher werden an das Briefing auch klare Voraussetzungen geknüpft:


Montag, 17. Dezember 2018

Sehr gutes Fehlermanagement – ein aktuelles Beispiel

Der Krieg gegen Fehler wird nie enden – und es wird nie einen klaren Sieger geben.

Zitat James Reason, weltbekannter Fehlerforscher, in seinem neusten Buch „Organizational Accidents Revisited“
 (Link zu Amazon)



Die Luftfahrt gibt immer wieder Beispiele für schnelles, effektives und lösungsorientiertes Fehlermanagement. Eigentlich ist es mehr als das, nämlich „Thread And Error Management (TEM)“, die Fortentwicklung des klassischen Fehlermanagements.


Denn, nicht der Fehler selbst wird mehr für sich alleine betrachtet und aufgeklärt, sondern sein gesamtes Umfeld einbezogen.
Dabei tritt in den meisten Fällen eine komplexe Ursachen-Wirkungskette auf. Singuläre Kausalitäten finden sich nur selten.
Es sind fast immer komplexe Mechanismen, die Sicherheits-Barrieren brechen lassen und dann in einem fatalen Ereignis enden.
Oder in kurzem Deutsch: es macht nicht plötzlich Plumps und ein Flugzeug fällt vom Himmel, auch wenn es für Außenstehende so aussieht.



Jetzt zu meinem aktuellen Beispiel, dem bitteren Ende des Lion Air Fluges JT 610 in der Nähe von Jakarta:

das Unglück passierte Ende Oktober und heute, am 12. Dezember 2018, greift bereits weltweit ein umfangreiches Maßnahmenpaket bei Airlines, Hersteller und den Trainingscentern für die
Boeing 737 MAX.

Es sind nur knapp 45 Tage vergangen, da liegt nicht nur ein öffentlich zugänglicher, offizieller Zwischenbericht über wesentliche Fakten des Unglücks vor, sondern es wird bereits ein Bündel von konkreten Maßnahmen (siehe weiter unten) umgesetzt.
Dieses Paket sorgt in kürzester Zeit für ein deutliches Plus an Sicherheit in der Luftfahrt.

Wie unsere Gesellschaft im Allgemeinen auf solche Fehler reagiert, haben wir leider wieder in vielen Medien erlebt.

Da berichtet SPIEGEL-online vom „verschlimmbesserten Flugzeug Boeing 737“ unmittelbar nach dem Unfall, und eine breite Presse äußert „skandalträchtige Abläufe“ bei Lion Airbus-A320-Simulator.
In den sozialen Medien werden von „Experten“ schnell Schlüsse über die unverantwortliche Abhängigkeit von nur einem Sensor für die Flugsicherheit gezogen.
Zwischendurch wird Boeing noch mal moralisch an die „Wand genagelt“, weil sie angeblich nicht ausreichend auf die neue Technik zur automatischen Vermeidung von Strömungsabrissen in den Handbüchern hingewiesen haben.

Fast alle medialen Darstellungen und öffentlichen Diskussionen haben eines gemeinsam: sie lieben die singuläre Kausalität, suchen den einen Schuldigen und verfallen aktionistisch in Rückschaufehler.

Weil der oder das so war, sind jetzt 189 Menschen tot. Und, es ist doch klar, dass dieses oder jenes zu diesem oder jenem Ergebnis führt.
Ja, heute, nach dem fatalen Ereignis und genauer Untersuchung wird das Bild klarer, aber vorher ist es das eben nicht, weil die Erkenntnisse von heute damals gar nicht bekannt waren (Rückschaufehler).


Die Luftfahrt hat dank des Crew-Resource-Managements zum Wohle aller eines gelernt:

Sie lassen sich nicht (mehr) von solchen Verhaltensmustern beeinflussen oder gar lenken.

Die präzise Untersuchung eines Luftfahrtunfalls ist überhaupt nur möglich, weil die beiden „Black Boxen“ an Bord alle Vorgänge in Cockpit, Kabine und bei der Verkehrslenkung, inklusive der Kommunikation zwischen allen direkt Beteiligten, aufzeichnen und damit wichtige Fakten bereitstellen.

Flugunfalluntersucher, Airlines und Hersteller arbeiten bei der Analyse und dem daraus abzuleitenden Paket an Verbesserungen und Maßnahmen international, mit offenem Visier zusammen.

Ja, da zeigt auch mal einer der Betroffenen „Nerven“, wie hier die Lion Air, die, glaube ich etwas unüberlegt, über Stornierungen der laufenden B737 MAX-Bestellungen gesprochen hat.

Doch diese Irritationen sind immer nur von kurzer Dauer und es wird von den anderen Beteiligten nicht nachgetragen.

Offene, direkte, prägnante und schnelle Kommunikation und der unvoreingenommene Umgang mit den zu Tage geförderten Fakten sorgen in kürzester Zeit dafür, dass ein Wiederholungsfall dieser Fehlerkette sehr viel unwahrscheinlicher wird – und zwar bei weltweit allen Airlines und dem Hersteller zugleich.


Mit der Inbetriebnahme der neuen Boeing 737 MAX wurde ein Flugzeug in den Luftverkehr gebracht, dass mit der ursprünglichen 737, mit analogen Steuersystemen, nicht mehr viel gemein hat. Das wurde unterschätzt, von vielen Beteiligten, nicht nur von Boeing selbst.
Menschen machen diese Fehler, das ist unvermeidlich – eine wesentliche Erkenntnis der Fehlerforschung und auch im Crew-Resource-Management.

Klar, irgendeiner löst letztlich die Handlung(en) aus (sharp end, wie die Fehlerforscher sagen), die das fatale Ereignis zur Folge hat.
Den oder die als Schuldige zu benennen, zu bestrafen und dann zur Tagesordnung überzugehen würde niemandem nützen. Es macht weder die Toten wieder lebendig noch vermeidet es die Wiederholung dieser fatalen Kettenreaktion.

Im Falle von Flug JT 610 und seinem traurigen Ende waren das „sharp end“ die technisch Verantwortlichen der Airline und die Piloten. Ja, sie sind in der Fehlerkette auch sehr relevant. Sich auf sie alleine in der Betrachtung zu beschränken, würde jedoch den Flugbetrieb mit der B737 MAX nicht wirklich sicherer machen.

Erst das Zusammenspiel der Maßnahmen, hier aus Softwareänderungen im Flugzeugmanagement, einsetzen zusätzlicher Warnsysteme im Cockpit, klarerer Dokumentationen der neuen Technik für die Piloten, verbesserter Ausbildung für diesen Flugzeugtyp und natürlich eine grundlegende Überarbeitung der Verfahren bei Lion Air und anderen zum Umgang mit solchen technischen Störungen erhöht wirklich die Flugsicherheit.

Die Verkehrsluftfahrt steht ständig vor enormen Herausforderungen, technischer wie organisatorischer Hinsicht. Immer mehr Automatisierung, überfüllte Lufträume und scharfer Wettbewerb, mit schmalen Margen, sind nur sicher zu bewältigen, wenn das System der Fehleraufarbeitung so gut funktioniert wie es das jetzt tut.

Natürlich lässt sich auch das TEM stets weiter verbessern. Die immerwährende Unvollkommenheit lässt Qualitätsmanager und Unfallforscher in der Luftfahrt nicht mutlos werden.

So geht James Reason in seinem oben erwähnten Werk auch mit „Target Zero“, also null Fehler- Forderungen und Modellen hart ins Gericht.
Noch härter geht er mit Managern um, die Forderungen wie „x-Prozent Fehlerreduzierung in n-Jahren“ postulieren. Die Vorgehensweise „fordern sie das Unmögliche um das Mögliche zu erreichen“ ist tödlich für jedes Qualitätssystem, hemmt den Fortschritt und erzeugt nachhaltige, oft fatale Kollateralschäden. Auch in Deutschland leben uns Unternehmen so etwas (leider) immer wieder vor.

Seien Sie sicher, dass mit der fortlaufenden Weiterentwicklung des Crew-Resource-Managements das Mögliche getan wird immer besser zu werden. Die Teams funktionieren und das gemeinsame Ziel ist für jeden darin erstrebenswert, eine der wichtigsten Bedingungen für echte Teams.
Das, zusammen mit den richtigen Voraussetzungen für erfolgreiche Teams, bringt maximal möglichen Output – aber, Fehler werden immer wieder passieren.


Wieviel Geld könnte gespart, wieviel Burnouts und innere Kündigungen verhindert werden, wieviel mehr Innovationen schneller an den Markt, und wieviel weniger Patienten zu Schaden kommen, wenn die Verhaltensweisen und Regeln des Crew-Resource-Managements auch in Unternehmen und Kliniken nachhaltig etabliert werden.

Mittwoch, 12. Dezember 2018

Führungskräfte dürfen nicht aus dem Bauch entscheiden

Ein Interview mit Thomas Fengler zum Thema „richtig Entscheiden“ nach der FOR-DEC Methode des Crew-Resource-Managements (CRM)


Kopf oder Zahl? Rot oder schwarz? Wir müssen uns jeden Tag entscheiden. Aber wie trifft man eine wirklich gute und vor allem richtige Wahl?

Thomas Fengler hat eine klare Empfehlung aus der Luftfahrt, die auch Unternehmen anwenden können:
 FOR-DEC.


Benjamin Franklin hat einmal gesagt: „Die schlimmste Entscheidung ist die Unentschlossenheit.“ Sehen Sie das auch so?

Ja, Entscheidungen sind notwendig und wir treffen täglich unzählige. Sicherlich auch häufig sehr unbewusst, zum Beispiel, wenn wir uns dazu entschließen, ein Eis zu kaufen. Aber spätestens im beruflichen Kontext haben Entscheidungen ein ganz anderes Gewicht. Führungskräfte können es sich nicht erlauben, unentschlossen zu sein. Sie dürfen aber auch nicht ad hoc entscheiden.

Was beeinflusst Entscheidungen?

Eine Entscheidung wird von einer vergangenen Erfahrung gesteuert. In der Psychologie nennt man dieses Phänomen „Similarity Matching“. Ein Entscheider versucht, die akute Situation mit Hilfe seiner Erfahrung zuzuordnen. Er pickt sich ein passendes Muster heraus, um die Situation zu bewältigen. Wenn kein Muster passt, kommt es zu einem anderen psychologischen Phänomen, dem „Frequently Gambling“. Ein Entscheider trifft eine Entscheidung anhand dessen, was in der Vergangenheit immer den größten Erfolg gebracht hat. In diesem Fall ist bei den meisten Menschen die Strategie – leider –, nichts zu tun und die Situation auszusitzen.

Womit wir wieder bei der Unentschlossenheit wären...

Richtig. Und es liegt auf der Hand, dass sich kein Unternehmen in dieser schnelllebigen Zeit leisten kann, zu zögern. In der heutigen Welt braucht es mehr denn je gute und vor allem richtige Entscheidungen. Solche Entscheidungen trifft man nach meiner Erfahrung aus der Luftfahrt in Zusammenarbeit mit einem echten Team und einem strukturierten Entscheidungsmodell.

Wie kann ein Team eine Entscheidung unterstützen?

Wenn es um richtige und gute Entscheidungen geht, hat eine Führungskraft in der heutigen komplexen Welt alleine keine Chance. Wenn Viele an einem Fall beteiligt sind, können auch mehrere Optionen geprüft und Risiken abgewägt werden. Alle Perspektiven zahlen in einen Topf ein, den eine einzelne Person alleine nicht füllen könnte – und falls doch, nur unter erheblichem Stress. Wichtig ist allerdings, dass die beteiligten Personen offen sagen dürfen, was sie denken.

Aber heißt es nicht auch, dass mehrere Köche den Brei verderben?

Wenn wir bei dem Vergleich bleiben, kommen hier eher alle Zutaten auf den Tisch, aber der Koch schubst sie dann in den Topf. Es herrscht oft das Vorurteil, dass bei der Anwendung von Entscheidungsfindungsmodellen am Ende alle die Entscheidung treffen. Das ist aber absolut nicht so. Entscheidungsfindungsmodelle sind keine „Wir haben uns alle lieb“-Geschichte. Sie sind ein zusätzlicher Rechercheschritt. Es handelt sich um ein gemeinsames Abklopfen der Möglichkeiten, um dem Entscheider die bestmöglichen Voraussetzungen zu bieten, eine gute und richtige Wahl treffen zu können.

In der Luftfahrt haben Sie das FOR-DEC-Modell kennen gelernt und erfolgreich eingesetzt. Wie funktioniert dieses Entscheidungsfindungsmodell?

FOR-DEC unterteilt Aufgabenstellungen in Segmente, klopft sie auf die entsprechende Zielorientierung ab und ordnet die Elemente dann den Zielen zu. Das heißt, dass eine Situation nach verschiedenen Mustern durchgescannt wird. Nach Fakten (F = Facts), nach den sich daraus ergebenen Optionen (O = Options) und den zu berücksichtigenden Risiken (R = Risks). Erst nach dem Durchlaufen dieser Segmente kommt es zur Entscheidung (D = Decision). Diese wird ausgeführt (E = Execution) und geprüft, ob sie zum Erfolg führt (C = Check). Wichtig ist, dass die einzelnen Schritte nicht miteinander vermischt werden. Eine Problemstellung durchläuft strikt diese Reihenfolge.

Wann und wie wendet eine Flugzeugcrew FOR-DEC an?

Zum Beispiel bei undurchsichtigen Wetterverhältnissen. Gemeinsam prüft die Crew zunächst alle Fakten. Welche Wetterbedingungen herrschen konkret? Wie groß ist der Kraftstoffvorrat? In diesem Schritt werden keine Bewertungen abgegeben. Danach werden die Optionen geprüft. Wichtig: Alle werden angesprochen, auch wenn sie abwegig erscheinen, wie: „Obwohl wir noch genügend Sprit an Bord haben, könnten wir das Flugzeug auf einem Ausweichflughafen landen.“ Würde eine Option sofort bewertet, findet sie vielleicht gar keine Beachtung. Anschließend werden die Risiken abgeschätzt. Erst an dieser Stelle werden die Fakten und Optionen tatsächlich bewertet. Hier kann Erfahrung eine wichtige Rolle spielen. Entscheidend bleibt aber, dass wieder das gesamte Team einbezogen wird. Auf dieser Grundlage entscheidet der Kapitän unabhängig. Die Entscheidung muss dann von der gesamten Mannschaft bestätigt und gemeinschaftlich ohne Zögern ausgeführt werden. Jedes Teammitglied überprüft, ob die gewählte Handlung zum gewünschten Ziel führt (Execkution). Falls nicht, startet der gesamte FOR-DEC-Prozess von vorne. Er wird außerdem wiederholt, wenn sich im letzten Schritt „Check“ zeigt, dass sich die Entscheidung als nicht mehr zielführend erweist.

Sie haben erwähnt, dass FOR-DEC in einer eingespielten Crew automatisch abläuft und der Kapitän nur gelegentlich durch den Prozess moderiert. Was ist außerdem wichtig, damit das Modell funktioniert?

Es ist wichtig, dass alle Teammitglieder die Regeln des Modells kennen und trainiert haben. Darüber hinaus ist Wesentlich, dass klar zwischen dem Sammeln und Bewerten von Informationen getrennt wird. Es gilt: Wer zu früh bewertet, schließt zu früh Dinge aus.

In der Luftffahrt hat sich FOR-DEC seit über 30 Jahren bewährt und maßgeblich dazu beigetragen, Fehlerquoten zu minimieren. Warum glauben Sie, dass sich das Modell auch für Unternehmen eignet und übertragen lässt?

Ein Flugzeug verzeiht nicht viele Fehler – vor allem aber keine Fehlerketten. Während ein Flugzeug abstürzt und alle sterben, kommt es in Unternehmen bei Fehlentscheidungen meistens „nur“ zu finanziellen Schäden. Bei beiden Systemen sind schnelle Entscheidungen notwendig. Eine weitere Gemeinsamkeit: Die Führungskraft in einem Unternehmen übernimmt dieselbe Rolle wie ein Kapitän.

Am Anfang sprachen wir darüber, dass Unentschlossenheit keine Option in der Führung sein kann. Was sind weitere Fehler beim Treffen von Entscheidungen?

Bei der ersten Übung im Flugsimulator sollen die Teilnehmer meines Führungskräftetrainings das Flugzeug landen. Die klassische Führungskraft entscheidet sich sofort zu handeln, guckt sich alle Schalter an, sucht nach Checklisten und Bedienungsanleitungen – sie trifft impulsive, aktionistische Bauchentscheidungen. Das ist aber total falsch. Jeder Schalter, der übereilig betätigt wird, ist der sichere Weg in den Tod. Auf die simple Idee, nach Hilfe zu fragen, kommt kaum jemand. Nach einiger Zeit unterbreche ich und beginne, gemeinsam die Fakten zu sammeln. Außerdem prüfen wir die Optionen und erst in diesem Schritt kommen die Teilnehmer darauf, dass sie Hilfe über Funk anfordern können. Wenn der Bauch ausgeschaltet ist und der Kopf übernimmt, wird die einzig richtige Schlussfolgerung gezogen. Führungskräfte entscheiden aber zu häufig falsch. Es gibt sogar viele, die ganz stolz behaupten, sie seien Bauchmenschen. Meine Erfahrung sagt mir ganz klar: Führungskräfte dürfen nicht aus dem Bauch heraus entscheiden.

Heißt das, in die Unternehmenswelt übertragen: „Hilfe ist immer eine Option“?

Hilfe anzufordern ist sehr häufig eine Lösung für Probleme von Führungskräften, allerdings sind sie nicht gewohnt, sie in Anspruch zu nehmen. Dies wird mit als Schwäche ausgelegt. Das Gegenteil ist aber der Fall.

Wie kann in Unternehmen die Anwendung von FOR-DEC gelingen?

Zunächst müssen alle das Modell einfach kennen lernen. Am Anfang hilft es, sich mit Karten, welche die die einzelnen Schritte beschreiben, zu orientieren. Die Führungskraft sollte den Prozess moderieren und gut zuhören können. Und dann ist es eine reine Übungssache. Gutes Führen muss gelernt sein und Gleiches gilt für das Treffen guter Entscheidungen.

Sie würden sicher den Satz des Philosophen antiken Autors Epicharm abschließend unterstützen: „Überlasse die Entscheidung nicht der Leidenschaft, sondern dem Verstand!“

Richtig, geprägt durch den Willen! Eine emotional gesteuerte Entscheidung ist keine richtige Grundlage für die Lebens- oder Mitarbeiterführung noch taugt sie zur guten Problemlösung.
Diese Erkenntnis ist in der modernen Verhaltensforschung auch belegt. Wer das konzentriert hören möchte, dem empfehle das Interview mit Prof. Raphael Bonelli aus Wien.
Er fast das in wenigen Kernsätzen gut verständlich zusammen. Zwei dieser Sätze (Zitat) finde ich besonders prägnant und wichtig:

Die Emotion ist kein Kompass für die richtige Entscheidung

und

Das Bauchgefühl kennt keine Moral, keine Vernunft und kann keine Richtung angeben


Das Interview führte die Autorin Julia Kottkamp aus Hamburg

Samstag, 8. Dezember 2018

Besiegen Sie Ihre Flugangst – als Pilot bei uns im Cockpit

60% der Passagiere haben mehr oder weniger Flugangst.
In den meisten Fällen ist das die Angst vor dem möglichen Kontrollverlust.
Auch viel fliegende Manager sind davon betroffen.


Angst vor dem Fliegen = Angst vor dem Unbekannten

Unser Ziel ist es, Flugangst nachhaltig abzubauen, die auf Angst vor Kontrollverlust basiert.
Je mehr Sie über die Vorgänge im Cockpit wissen, desto geringer wird Ihre Angst.
Sie gewinnen mehr und mehr ein Sicherheitsgefühl, wenn Sie selbst als Pilot das Flugzeug kennenlernen.

Wie wir aus vielen Flugangst-Coachings und Seminaren im Cockpit wissen, es funktioniert sehr nachhaltig.

Dienstag, 4. Dezember 2018

Arbeitsklima gestört – Firma im Sinkflug

Neurobiologen, wie Gerald Hüther, können seit einigen Jahren nun auch mit bildgebenden Verfahren (MRT) nachweisen, wie immens die Bedeutung der Beziehungsebene zwischen Menschen auf ihre Motivation, Leistungsabgabe und Fehleranfälligkeit ist.



Auch in der Fehlerforschung kommt James Reason in seinem neuesten Werk, Organizational Accidents Revisited (2016), zu der Erkenntnis, dass Stressfaktoren durch gestörte Beziehungen in der Hierarchie und im Team für Fehlerpotentiale bisher erheblich unterschätzt wurden.

So hat der Sachinhalt im berühmten Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun keine Chance mehr, wenn die Beziehungsebene zwischen Sender und Empfänger gestört ist.

Hier liegt die Hauptursache für Ineffizienz, hohe Krankenstände, Fluktuation und für das Unternehmen oder eine Klinik viel zu hohe Fehlerquoten.

Das produziert nicht nur Schlechtleistung, sondern auch Stillstand, mangelnde Innovation und Perspektivlosigkeit.

Daher stellt Amy C. Edmondson, einer der aktuell anerkanntesten Teamforscherinnen, in Ihren Forschungen die „psychologische Sicherheit“ in den Mittelpunkt guter und leistungsfähiger Teamarbeit.


Was der Umgang mit einem Menschen bewirken oder anrichten kann lesen Sie in meiner kleinen Geschichte mit den Bauklötzen