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Samstag, 26. November 2022

Digitalisierung – Fluch und Segen dicht zusammen

Im Moment ist er in aller Munde, der „digitale Fortschritt“ in der Arbeitswelt. Oft wird hier alles untergebracht, was mit „digital“ überhaupt zu tun, oder auch nicht zu tun hat.

Begriffe wie „digital Leadership“ oder „digitale Transformation“ allgemein zu gebrauchen, ohne Präzisierung des eigentlichen Themas, halte ich für überflüssig. Es nützt gar nichts.

„Digital Leadership“ hat nichts mit Technik zu tun


Der laufende Fortschritt und die damit verbundene Automatisierung haben schon immer hohe Anforderungen an Führung und Organisation gestellt. Das ist seit der Nutzung der ersten EDV in den 1970er-Jahren für die meisten Unternehmen spürbar geworden.

Was ist also neu?

Welche Anforderungen sind außergewöhnlich und brauchen völlig neue Ansätze?












Neu ist seit etwa 10 Jahren die globale Vernetzung im Arbeitsleben. Auf einmal beschleunigen sich Prozesse erheblich. Somit müssen die Entscheidungs- und Veränderungsgeschwindigkeiten angepasst werden. Die digitale Technik ist nur der Treiber, ein Mittel zum Zweck. Natürlich müssen auch Führungskr.fte der 1. Ebene verstehen, welche Möglichkeiten und Anforderungen sich damit ergeben. Aber Computerspezialisten müssen sie nicht werden. 

Die bisherigen Führungsstrukturen, gefangen in einer mehr als 100 Jahre alten Führungskultur, sind zu fehleranfällig und langsam. Da setzt „digital Leadership“ an. Prof. Utho Creusen prägte den Begriff aus dieser erkannten Notwendigkeit heraus. Das hat mit Wissen über Computertechnik rein gar nichts zu tun, sondern ausschließlich mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen für das Miteinanderarbeiten, vor allem im Team.

Das erfolgreiche Team prägt „Digital Leadership“


Das Führungs- und Arbeitsmodell Crew-Resource-Management (CRM) der Verkehrsluftfahrt greift genau diese Herausforderung auf, wenn auch aus einem anderen Grund. Hier ist es die dringend notwendige Sicherheit, denn Fehler enden in der Flugzeugkabine schnell tödlich. Das war jedoch schon vor 30 Jahren – da hat in Unternehmen noch kein Mensch von „digital Leadership“ gesprochen. Der große Unterschied zu Creusens Ansätzen ist, dass das CRM ein schon lange in der Praxis bewährtes und lehrbares Modell ist. Letztlich brauchte man in Cockpit und Kabine schnell wirksame und nachweisbare Verbesserungen in Sachen Team und Führung.

Denn in der (mangelnden) Zusammenarbeit lagen die tödlichen Fehlerursachen. Das war die Erkenntnis der Forschung. Auch Harvard-Professor J. Richard Hackman, weltweit renommierter Teamforscher, kommt in seinem bekannten Standardwerk „Leading Teams“ zu den gleichen Ergebnissen und prägte damit das Crew-Resource-Management wesentlich mit.

Doch die Anforderungen durch Digitalisierung und Automatisierung der Arbeitswelt enden hier bei Weitem nicht. Auch das war und ist Ergebnis der CRM-Forschung.

Schnittstelle Mensch-Maschine entscheidet über Erfolg


Organisationsstrukturen und standardisierte Prozesse (SOPs) müssen immer wieder sehr genau überdacht und teilweise neu erfunden werden um die Schnittstelle Mensch- Maschine nicht zu einer (tödlichen) Falle werden zu lassen. Je mehr Automatisierung, desto kritischer wird diese Schnittstellen-Problematik. Unser Gehirn ist nämlich nur begrenzt „umprogrammierbar“. Es folgt jahrtausendelang antrainierten und weitervererbten Handlungsmustern.

Es gibt wohl weltweit keinen Arbeitsplatz, der „digitalisierter“ ist als ein modernes Flugzeugcockpit. Es gleicht mehr Raumschiff Enterprise als der allgemeinen Vorstellung vom alten Haudegen mit Lederkappe und Fliegerbrille, der vor Instrumenten mit zitternden Anzeigenadeln sitzt.

In den 1980er-Jahren, mit der Einführung des voll digitalisierten Cockpits im Airbus A320, wurde der Arbeitsplatz Cockpit neu erfunden. Damals passierte es, dass trotz erstklassiger Ausbildung und hervorragenden Teamgeists zwei der erfahrensten Piloten der Air France nicht schnell genug reagierten. Nur ein Jahr nach dem Erstflug steuerten sie diesen Wunderjet, vollbesetzt mit Pressevertretern und VIPs, vor den Augen der Zuschauer in einen Wald im französischen Mühlhausen wo die Maschine in Flammen aufging.

Die Computer haben Gehirne und Wahrnehmungen getäuscht. Die völlig neuen Handlungsmuster waren, obwohl zigmal vorher trainiert, in diesem Moment nicht schnell genug abrufbar. Bei einem Betriebssystem für PCs würde man sagen, das Cockpit hatte Usability- Schwachstellen, die in einer Grenzsituation den Nutzer (hier die Piloten) überfordert hatten. Es fehlten Erfahrungswerte und erprobte SOPs für diese neue Schnittstelle Mensch- Maschine.

Diese Flugzeugbaureihe wird primär von drei leistungsstarken Bordrechnern geflogen, denen die Besatzung per Solleingaben (Sidestick, Leistungshebel, ...) ihre Absichten bekannt gibt. Eine Revolution im zivilen Flugzeugbau.

Nur 3 Jahre später fiel wenige Kilometer vom ersten Unglück entfernt, beim Nacht-Anflug in Strasbourg, ebenfalls ein A320 vom Himmel. Die Ursache war die gleiche wie beim ersten Absturz: Missverständnis Mensch-Maschine (Computer).

Und es ging weiter: 1993 verunglückte wieder ein A320, dieses Mal der Lufthansa, bei einer Routinelandung auf dem eigentlich völlig unkritischen Verkehrsflughafen der polnischen Hauptstadt Warschau. Verantwortliche Piloten waren zwei hocherfahrene Flugkapitäne, von denen einer sogar Ausbildungs- und Prüfkapitän war.

Eine wesentliche Ursache des Unfalls: Die von den Piloten nicht verstandene Reaktion des Bordcomputers, ausgelöst durch besondere Nässe auf der Landebahn. Nun war es ja nicht so, dass nach den ersten Zwischenfällen nicht gehandelt wurde. Immer wieder wurden die Steuer- und Navigationssoftware der Maschine verbessert, die Bedienungssicherheit erhöht und die SOPs angepasst.



Wegen der Zwischenfälle mit der neuen Fly by Wire Steuerung entschied Boeing sich erst etwa 10 Jahre später für diese Technik. Sie wurde mit der Boeing 777 (Triple Seven) Ende 1995 in den Liniendienst übernommen. Boeing verzichtet bis heute auf die Sidesticks und verwendet klassische Steuerhörner als Eingabeinstrument für die Computer.

Die Sidestick-Steuerung spielte eine wesentliche Rolle beim wohl tragischsten Mensch- Maschine-Unfall der Luftfahrtgeschichte. Im Juni 2009 stürzte der Air France Flug 447, ein Airbus A330, nachts mitten über dem Südatlantik ab und blieb fast zwei Jahre verschollen. In den im Meer versinkenden Trümmerteilen des Airliner starben 228 Menschen. Erst bei der 5. Suchaktion fand man die beiden zum Glück noch intakten Flight- und Voicerecorder.

Endlich konnte das bis dahin völlig rätselhafte Verschwinden dieses Großraumjets aufklärt werden. Die Ursache: kompletter Kommunikationsbruch zwischen Mensch und Maschine, ausgelöst durch eine Kleinigkeit. Und so stürzte ein völlig flugfähiges Flugzeug wegen einer komplett von den Bordcomputern verwirrten Cockpitbesatzung, bestehend aus drei Piloten (Kapitän und zwei 1. Offizieren) ins Meer. Chesley B. Sullenberger, der Held vom Hudson, der im Januar 2009 einen Airbus A320 nach doppeltem Triebwerksausfall unmittelbar nach dem Start sicher auf dem Hudson River vor der Skyline New-Yorks notwasserte, kommentierte den Crash über dem Atlantik mit den Worten: „Mit einer Boeing wäre der Unfall weniger wahrscheinlich gewesen.“ Er hat aus meiner Sicht recht.

Die Gründe: weniger Digitalisierung, weniger neue Handlungsmuster.

Erst nach dem A330 Unfall 2009, 18 Jahre nach Einführung dieses voll digitalisierten Großcomputers mit zwei Piloten, haben der Hersteller und Airlines Ausbildung, Usability und Software so perfektioniert, dass der Mensch auch zur voll digitalen Flugzeug-Technik passt und Fehler dieser Art so unwahrscheinlich sind wie in einem analogen Cockpit. Heute sind die Computer im Cockpit beim Menschen wirklich angekommen.

Ich habe selbst diesen Umstieg miterlebt: vom fliegenden „Uhrenladen“ zu Captain Kirk. Ich musste mein Pilotenleben noch einmal neu erfinden. Computer haben heute noch einen gewaltigen Nachteil gegenüber uns Menschen: sie können in hochkomplexen Situationen nicht im Voraus erkennen und danach handeln, nicht schnell genug selbst lernen und nur auf ihre begrenzt sensible Sensorik reagieren. Um den Menschen im Cockpit oder im Auto komplett zu ersetzen, sind sie viel zu langsam.

Wir werden also an der Schnittstelle Mensch-Maschine noch lange arbeiten müssen, da die Computer in wesentlichen Bereichen ihren Job ohne den Menschen nicht richtig erledigen können.

Nur an dieser einen von mir beschriebenen Schnittstellen-Problematik sehen Sie, dass ein einseitiges, undifferenziertes Einfordern der Digitalisierung nicht immer zielführend ist. Als Argument für fehlenden Digitalisierungswillen in den Führungsetagen wird von der Softwareindustrie gerne das fehlende Verständnis der digitalen Technologien, z.B. cloudbasierten Datenspeichern und Netzwerken angeführt. Daran hängen jedoch neben einer notwendigen neuen Führungskultur (digital Leadership) eben auch komplett neu zu definierende Prozesse und SOPs.

So ist eine wesentliche Folge der CRM-Forschung im digitalen Cockpit die Einführung des „effective monitoring“ gewesen. Es hilft wirksam, Unglücke, wie oben beschrieben, zu verhindern. Aus diesem Wissen wurde die Position des „pilot not flying (PNF)“ in die Stelle des „pilot monitoring (PM)“ verändert. Das war eine beutende Wendung, auch in der bestehenden hierarchischen Ordnung.

Amt und Funktion der Piloten wurden erstmals deutlich voneinander getrennt.

So kann der Kapitän auf dem einen Flugabschnitt „pilot flying“ (PF), auf dem anderen PM sein. Die ganze Zeit bleibt er aber Kapitän und hat die letzte Entscheidungsgewalt. Die Rolle des PM hat als primäre Aufgabe, die Flugdurchführung und Leistung des PF zu überwachen, gefährliche Abweichungen oder Fehlleistungen festzustellen und klar zu kommunizieren. Er trägt als PM genauso wie der PF die volle Verantwortung für die sichere Flugzeugführung. Neu war auch, dass diese Feststellungen von Fehlern absolut keine negativen Konsequenzen für die Akteure haben.

Diese Veränderungen sind wesentlich durch die Digitalisierung im Mensch-Maschine Arbeitsraum bestimmt worden.

Es wäre also fahrlässig, jedem Drängen nach digitalisierten Fortschritten unreflektiert nachzugeben. Digitalisierung muss schrittweise und unter genauer Analyse der umgebenden Arbeitsabläufe stattfinden. Dazu braucht es fachlich qualifiziertes Personal – nicht nur aus der IT.

Schnittstelle Softwareingenieur nimmt direkten Einfluss


Eine andere Schnittstelle wurde im technologischen Cockpit-Fortschritt ebenfalls neu definiert.

Mit der Übernahme wesentlicher Steuerelemente im Flugzeug durch Computer nahm erstmals auch ein Softwareingenieur direkten Einfluss auf die Flugzeugsteuerung. Mit dem Steuerhorn oder Sidestick gibt der Pilot Sollwerte an den Rechner, der interpretiert nach den einprogrammierten Mustern und setzt dann erst die Hydraulik zum Ansteuern der Ruder und Klappen in Gang.
Das gleiche gilt für die Triebwerke.

Mit dieser tiefgreifenden Veränderung wurden auch ganz neue Kommunikations- Anforderungen definiert. Softwareingenieure mussten zuerst einmal lernen, ohne „Übersetzer“ mit Piloten und Technikern zu kommunizieren – so, dass sie einander verstanden.

Exakt diese Anforderung können wir auf jedes Unternehmen übertragen, das digitalisierte Landschaften betritt. Hier ist noch viel Arbeit zu leisten, mindestens genau so viel, wie in der hierarchischen Führungskultur.

Ich selbst habe mehr als einmal erlebt, dass es zwischen IT und den verschiedenen operativen Arbeitsebenen tiefe Zerwürfnisse gab. Sender und Empfänger arbeiten oft auf verschiedenen Frequenzen. Echte Kommunikation gibt es gar nicht, nur gegenseitige Vorwürfe.

Dieses Sender-Empfänger-Problem ist ebenfalls ein Kernthema im CRM der Luftfahrt. Auch die gesamte Luftfahrtentwicklung ist heute, in der 6. Stufe des CRM, auf dieses zukunftsweisende Führungs- und Arbeitsmodell umgestellt.

Richtige und effektive Kommunikation benötigt ein taugliches, einfach verständliches und klares Kommunikationsmodell mit konkreten Regeln. Sonst klappt es nicht. Auch das ist eine Erkenntnis der CRM-Forschung.

Was wir brauchen sind also weniger die ewigen Rufer nach digitalem Fortschritt, sondern die führenden Köpfe in Unternehmen, die die notwendigen Veränderungen umsichtig planen und konsequent Schritt für Schritt umsetzen.

Dabei muss jeder im Unternehmen einbezogen und dauerhaft gehört werden. Heute ist in der Luftfahrt jede Reinigungskraft, jedes Ladepersonal und jeder Tankwart ein aktives Mitglied im Führungs- und Arbeitsmodell Crew-Resource-Management. In der Luftfahrt hat man nicht nur verstanden, man lebt es auch – seit 30 Jahren mit durchschlagendem Erfolg.

Digitalen Fortschritt kann man eben nicht alleine technisch erreichen!

Zwei Standardwerke für die, die tiefer einsteigen wollen


Wikipedias Definitionen


Spannende Berichte der erwähnten Flugzeug-Unfälle


Freitag, 14. Mai 2021

Die 8 Phasen der Veränderung – deshalb scheitern die meisten Change-Prozesse in der Praxis

Change-Prozesse scheitern in 80 % der Fälle. Das ist hinlänglich bekannt, zig-fach kommentiert und es wird trotzdem nicht besser.

Warum scheitern "Changes" so oft?

Der weltberühmte Fehlerforscher James Reason liefert in seinem gut lesbaren "Abschieds"-Werk A Life in Error eine gute Begründung. Dass ich von dieser Herleitung so überzeugt bin, liegt an der Parallele zur Geschichte des Crew-Resource-Managements (CRM) der Luftfahrt.




Die zusammenfassende Erkenntnis von James Reason ist:
Der Erfolg von Veränderungs-Prozessen hin zu einer besseren Führungs- und Fehlerkultur erfordert zunächst eine Verhaltensänderung, basierend auf einer psychologisch sicheren Arbeitsatmosphäre.
Wir jedoch versuchen im Change meist die Strukturen, sprich die Organisation zu verändern. Das lässt sich ja prima in Excel und anderen Plan- oder Projektboards abbilden. Auf das Verhalten der Menschen in diesem Prozess, insbesondere der Führungskräfte, gehen wir gar nicht, oder nur am Rande ein.
Das Fundament der psychologischen Sicherheit (Blog-Artikel) fehlt gänzlich.
Die Organisation folgt im erfolgreichen Veränderungsprozess dem Verhalten, nicht umgekehrt.


Die von Reason beschrieben 8 Phasen eines Change-Prozesses


Phase 1 : Alles ist gut
Niemand sieht die Notwendigkeit einer Veränderung. Alle Manager sind zufrieden mit den Status quo. Sie glauben, sie haben KEIN Qualitäts- und Führungsproblem. Sie sind zufrieden mit der Art und Weise, wie sie ihre Effizienz steigern und Kosten einsparen.

Phase 2: Es muss sich etwas ändern. Wir wissen nicht, was
Die Manager erkennen die Notwendigkeit für Veränderungen, wissen aber nicht, in welche Richtung das gehen soll. Alle bisherigen Versuche sind fehlgeschlagen, die Öffentlichkeit hat sie dafür scharf kritisiert. Die bisherigen Qualitäts- und Führungsmaßstäbe erkennen sie als unzureichend, die Unzulänglichkeiten in der Fehler- und Führungskultur verstehen sie jedoch nicht oder ignorieren sie.

Phase 3: Wir wissen, was. Wir wissen nicht, wie
Das Management weiß, was es verändern muss, weiß aber nicht mit welchen Mitteln das geschehen soll. Sie erkennen, dass die bisherigen Maßstäbe ihrer Fehler- und Führungskultur nicht mehr angemessen sind. Sie wissen jedoch nicht, wie sie diese Kultur verändern können.

Phase 4: Wir wissen, wie. Wir glauben nicht, dass wir es schaffen
Das Management hat das Know-how für die notwendigen Veränderungen der Fehler- und Führungskultur erworben, zweifelt jedoch, ob das Unternehmen dafür bereit ist. Die laufenden Projekte übersteigen schon jetzt ihr Budget. Das Unternehmen hat Personalengpässe und Projekte, die im Moment wichtiger sind. Man verschiebt die Veränderungsvorhaben auf später.

Phase 5 : Nur kosmetische Veränderungen
Man fängt an, notwendige Veränderungsprozesse einzuleiten, jedoch nur in kosmetischer Form. Man sucht Abkürzungen auf dem Weg zum Ziel. Der Prozess wird weder verfolgt, noch auf seine Wirkung überprüft.

Phase 6: Änderungen zeigen keinen Erfolg
Man setzt Veränderungen um, stellt aber fest, dass sie keinen Vorteil erzeugen. Das Modell der veränderten Kultur passt nicht zur realen Welt.

Phase 7: Erfolg zu kurzfristig
Die Veränderung fängt an Früchte zu tragen, taugt jedoch nicht für die zukünftigen Herausforderungen. Das Modell ist nicht flexibel genug für unvorhergesehene und störende Ereignisse im Markt.

Phase 8: Erfolgreiche nachhaltige Umsetzung
Die Veränderung der Arbeits- und Führungskultur ist erfolgreich gelungen und stabil etabliert. Die neue Unternehmenskultur hält Schritt mit den sich schnell verändernden Anforderungen im Markt. Sie bringt dem Unternehmen kontinuierlich Vorteile in Effizienz, Qualität und Wettbewerb. Die Mitarbeiter haben attraktive Perspektiven und eine hohe Motivation.

Reason fand weiter heraus, dass jedes Unternehmen oder Organisation alle diese Phasen durchmacht und, dass nur die letzten beiden (7+8) wirklich sicht- und messbaren Erfolg bringen.

Die meisten Unternehmen brechen bereits bei Phase 3 oder 4 ab und beginnen irgendwann von vorne –  um wieder dort zu enden. Welchen Schaden und Frust das für Unternehmen und Mitarbeiter auslöst, können Sie sich vorstellen. Wir erleben es jeden Tag in der Praxis.


Hier noch einmal das erwähnte Buch:

Reason, J. (2013) A Life in Error - From Little Slips to Big Disasters, Ashgate, Farnham, England, Burlington, USA.

Amazon

Donnerstag, 9. Juli 2020

Die Kultur des Schweigens und Lügens durchbrechen

Kultur, und eben auch Unternehmenskultur, ist in letzter Konsequenz Erziehung.
Mitarbeiter werden in vielen Unternehmen geradezu zum Schweigen und Lügen erzogen.
Dabei brauchen wir nicht nur auf Konzerne schauen, das Problem fängt im kleineren Mittelstand an und formiert sich so richtig in traditionell (patriarchisch) geführten Familienunternehmen.

Die Kultur des Schweigens und Lügens hat einen klar identifizierbaren NährbodenAngst.
Angst vor Schuldzuweisung, Angst vor Bestrafung, Angst sich lächerlich zu machen, als dumm zu gelten, renitent zu wirken usw.

Angst und der Grad psychologischer Sicherheit (Link zu meinem Blogartikel darüber) in einem Team, einem Unternehmen, einer Klinik oder Organisation hängen direkt voneinander ab.
Je geringer die psychologische Sicherheit ausgeprägt ist, desto mehr Angst herrscht bei Mitarbeitern.
Das gilt in allen Hierarchiestufen. In den meisten Organisationen ist psychologische Sicherheit nur gering ausgeprägt. Sie passt nicht in traditionelle, formal hierarchisch geprägte Führungskulturen.


In meinem kurzen Ausschnitt des in Kooperation mit dem Arbeitgeberverband Region Braunschweig veranstalteten Einführungs-Webinar zu einer Deep Dive-Reihe zum Thema „Führen nach dem Cockpit-Modell“ zeige ich, mit Beispielen aus der Praxis untermauert, wie ich diese fatale und überholte Führungskultur durchbreche. Wie immer, es fängt ganz oben an, an der Spitze des Unternehmens, der Klinik, der Organisation...

Unsere aktuellen Literaturempfehlungen zum Thema finden Sie als PDF zum runterladen hier

Freitag, 17. April 2020

Seminare jetzt auch online – Krisenmanagement live aus dem Cockpit

Die ersten Live-Seminare aus unserem professionellen Airline-Simulator liegen erfolgreich hinter uns. Im Mai folgen vier weitere Webinare, ebenfalls live aus dem Cockpit.

Dieses Mal in exklusiver Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeberverband Braunschweig-Salzgitter.
Die Zielgruppe sind höhere Führungskräfte, Unternehmer und Geschäftsführer.
Die Online-Schwerpunktthemen für das erfolgreiche Krisenmanagement nach dem einzigartig erfolgreichen Führungsmodell aus der Luftfahrt, dem Crew-Resource-Management sind (bisher):
  • Sichere und fehlerarme Kommunikation
  • Führen in einer psychologisch sicheren Umgebung
  • Richtig entscheiden unter Druck mit FOR-DEC

Sie interessieren sich als Unternehmen für diese interaktive und mit vielen Praxisbeispielen untermauerte Form der Führungskräfte-Fortbildung?

Schreiben Sie uns oder rufen Sie uns an!

Sonntag, 22. September 2019

Das darf nicht passieren – tut es aber!

Vor einigen Tagen führte ich mit einem Top-Manager, vor einem Cockpit-Training, eine engagierte Diskussion, welche Fehler Mitarbeiter und Chefs machen dürfen und welche nicht. Als Beispiel für einen unakzeptablen Fehler nannte er mir, wenn die Piloten im Landeanflug vergessen das Fahrwerk auszufahren.
Diese Bewertung von Fehlern finde ich bei Führungskräften recht oft. Sie teilen Fehler in akzeptabel und unakzeptabel ein.
Ich höre mir das meist sehr geduldig an und sage dann: die „unakzeptablen“ Fehler passieren aber trotzdem. Menschen können nicht zwischen unakzeptablen und akzeptablen Fehlern unterscheiden. Sie begehen sie einfach – sei es aus Routine, aus Unwissen, falschen Regeln oder schlicht durch fahrlässige Nichtbeachtung von Verfahren und vorgeschriebenen Verhaltensmustern. Die Fehlerforschung definiert daher einen Fehler als unbeabsichtigte Handlung. Sie werden nicht absichtlich und bewusst begangen.
Selbst ein bewusster Regelverstoß ist nicht automatisch ein absichtlich begangener Fehler, da Menschen die Konsequenz des Regelverstoßes ja anders einschätzen als das dann nicht erwünschte Ergebnis.

Deshalb hat die Luftfahrt in ihrem Thread and Error Management (TEM) das Begehen fast jeder Art menschlicher Fehler einkalkuliert. Ziel des TEM ist es, bei brisanten Prozessen möglichst viele Sicherheits-Barrieren für Schlüsselhandlungen einzubauen.
Zu einer solchen Schlüsselhandlung gehört auch das Ausfahren von Landeklappen und Fahrwerk für die Landung eines Flugzeuges. Beides ist extrem sicherheitsrelevant und ein Versäumnis kann zu fatalen Unfällen führen. Deshalb haben Hersteller und Airlines für diese beiden Handlungen viele Sicherheits-Barrieren eingezogen, in technischer (Warnungen optisch wie akustisch), verfahrensmäßiger (Checklisten) und menschlicher (vier Augen Prinzip, Kommunikationsregeln etc.) Hinsicht. Das reicht aber leider nicht.
Zu dieser Erkenntnis kam die Crew-Resource-Management Forschung im Bereich Fehlermanagement früh. Unter anderem deshalb wurde das einfache Fehlermanagement zum TEM entwickelt. Es bezieht nicht nur das System, in dem gearbeitet wird ein (hier Cockpit und Kabine des Flugzeuges), sondern auch einflussnehmende, äußere Faktoren.
Das wären in meinem Beispiel Luftfahrt u.a. das Ground Handling, die Flugsicherung (ATC), Wartung und die bodenseitige Flugplanung durch die Airline (Dispatch).

Vor zwei Tagen las ich über einen genau dazu passenden, aktuellen Fall: im Landeanflug „vergaß“ die Crew einer Boeing 787 Dreamliner der Vietnam Airlines, im Landeanflug auf den Flughafen Melbourne in Australien, das Fahrwerk auszufahren.
In wenigen hundert Fuß Höhe gab der Towerlotse über Funk eine deutliche Warnung an die Crew über die gefährlich falsche Landekonfiguration, wie es in der Fachsprache heißt.
Die Piloten starteten durch und landeten die Maschine ohne weitere Besonderheiten in einem zweiten Anflug, mit ausgefahrenem Fahrwerk. Die äußeren Umstände für den Flug waren problemlos, das Wetter einwandfrei. Die Piloten meldeten vorher keinerlei Störungen.
Die australische Luftfahrtbehörde ATSB wurde seitens Vietnam Airlines gebeten den Vorfall zu untersuchen.
Die Untersuchung läuft. Ziel ist es jetzt nicht, einen Schuldigen zu finden, den an die Wand zu nageln und dann ist es gut. Ziel der behördlichen Untersuchung und der Airline-Verantwortlichen ist es, die Umstände zu erfahren, die zu dieser Fehlerkette geführt haben. Dank des Crew-Resource-Managements (CRM) in seiner weiten Entwicklung (7. Entwicklungsstufe) und des daraus resultierenden TEM hielt eine der letzten Sicherheits-Barrieren, außerhalb von Cockpit und Kabine: die Flugverkehrskontrolle, hier der die Landung optisch beobachtende Towerlotse.
Gerade Australien ist neben den USA und England beispielhaft in der Forschung und Umsetzung des CRM. Das hat hier, mit hoher Wahrscheinlichkeit, eine Katastrophe mit zumindest vielen Verletzten und erheblichem wirtschaftlichen Schaden verhindert. So soll es sein!

Ich verfolge aufmerksam das Ergebnis der Untersuchung und den daraus abgeleiteten, verhaltensmäßigen und technischen Empfehlungen sowie ggf. Verfahrens-Optimierungen. Warum? Weil ich daraus für mein eigenes Handeln als Trainer, Change- und Krisenmanager lernen kann.
Und ich lerne gerne, ein Leben lang!

Montag, 8. Juli 2019

Change – warum scheitert er so oft?

Die internationalen Top-Referenten und gefragten Coaches David Grebow und Stephen J. Gill geben einen prägnanten und fundierten Überblick darüber warum Unternehmen sich verändern müssen. Es ist notwendig, damit Organisationen in einem immer schneller und sich laufend ändernden Geschäftsumfeld fehlerarm lernen können. Sie beschrieben weiter, wie moderne Managementpraktiken Ihnen dabei helfen können.

Ihr Buch „Minds at Work“ (Link zu Amazon) ist ein Bestseller unter der Management-Literatur.
 Sie zeichnen sehr anschaulich den Weg hin zu einer „Learning Organization“ (Link zu Amazon), wie Amy C. Edmondson und E.H. Schein sie schon in Ihren Veröffentlichungen als zukunftsweisend darstellen.

Was ist eine Learning Organization?


Mit dem Begriff Organisation ist hier das Unternehmen, die Klinik, die Behörde oder eine andere Form von Arbeitsgemeinschaft angesprochen. Eine lernende Organisation ist nicht mit der Arbeitsorganisation im Unternehmen, also Organisationsstrukturen, zu verwechseln.

Der Begriff ist aus dem Englischen (US) ins Deutsche übersetzt. Dort wurde und wird die „Learning Organization“, im Fortgang der modernen Verhaltensforschung und Organisationspsychologie, geprägt.

In diesem Zusammenhang empfehle ich die Literatur von E.H. Schein, Amy c. Edmondson, D. Norman und J.R. Hackman, alles Wegbereiter der heutigen Verhaltenspsychologie.

Was ist nun eine lernende Organisation oder ein lernendes Unternehmen?

Der Begriff beschreibt die Fähigkeit von Arbeitsgemeinschaften, mit schnellen Veränderungen der Umgebung fehlerarm umzugehen, und sie für die eigene Fortentwicklung ebenso schnell zu nutzen.

Eine lernende Organisation kann sich schnell ändernden Faktoren stellen und sie für die eigenen Ziele effizient einsetzen. Sie wird dabei nicht in ihrer operativen Arbeit behindert, und es werden keine ständig neuen Ausnahmezustände geschaffen.

Die in einer lernenden Organisation arbeitenden Menschen haben Verhaltensmuster gelernt und trainiert, die eine reibungsarme, offene Kommunikation und fehlerarme Entscheidungsfindung fördern.

Fehler machen, lernen und korrigieren sind in solchen Organisationen natürlicher Bestandteil der täglichen Arbeit.

Das Crew-Resource-Management der Luftfahrt hat im operativen Bereich genau das geschafft, und damit ein einzigartig fehlerarmes und effizientes Führungs- und Arbeitsmodell etabliert. Die Luftfahrt ist die einzige Organisation, die weltweit den Beweis für das Funktionieren eines neuen Führungs-Modells unter sich schnell verändernden Umgebungsfaktoren angetreten hat.
Ich zitiere David Grebow und Stephen J. Gill nur in einem einzigen Punkt, und Ihnen wir sofort klar, dass die herkömmlichen Versuche, Change zu gestalten scheitern müssen.

Zitat:
Unternehmen sollten sich an den weit verbreiteten Wandel anpassen, indem sie ihre Überzeugungen und Praktiken des Managements aktualisieren. Sie führen näher aus:

Arbeiten, die die körperliche Arbeit über das Denken stellen, dominieren seit Jahrtausenden die Weltwirtschaft. So wurde aus der "Verwaltung der Hände" eine Wissenschaft - die Wissenschaft des Managements.

Um 1980 verlagerte sich die Wirtschaft. Die Arbeiter benutzten ihren Verstand mehr als ihre Hände. Die verarbeitende Wirtschaft wurde zu einer Dienstleistungswirtschaft und dann zu einer informationsbasierten Wirtschaft. Heute konkurrieren Arbeitnehmer und Unternehmen in einer wissensbasierten Wirtschaft.

Individuelle und kollektive Gedankenkraft sind die größten Vermögenswerte und Fähigkeiten eines jeden Unternehmens.

Die meisten Unternehmen sind nach wie vor in den Betriebsarten der Kommando- und Kontrollfunktionen des 20. Jahrhunderts tätig. Sie verwalten Hände, nicht Köpfe. Schulen mit MBA-Programmen konzentrieren sich nach wie vor auf traditionelle Managementpraktiken. Unternehmen, die sich auf Hände konzentrieren, neigen dazu, in einer schnelllebigen, sich ständig verändernden und miteinander verbundenen Welt zu versagen. Die Minderheit - diejenigen, die den Geist leiten - gedeihen auf der ganzen Welt. Sie stellen das Lernen in den Vordergrund ihrer Strategie.

(Change)Manager werden heute noch nach Kriterien der Kommando- und Führungsstruktur des 20. Jahrhunderts gesucht. Fachkarrieren, basierend auf Fach-Studiengängen dominieren die „Soll-Beschreibung“ im Recruiting von (Change)Managern.
 Kennen Sie eine Stellenbeschreibung, kennen Sie alle.

Dabei kann nur Frust und Verlust herauskommen. Die Praxis zeigt das auch – 80% aller Veränderungsbemühungen scheitern schon im Frühstadium.


Einer der weltweit führenden Verhaltens- und Fehlerforscher, James Reason, beschreibt es sehr schön in den 8 Phasen der Veränderung. Die meisten Unternehmen erreichen nicht mal die Phase 4 (Wir wissen wie, glauben aber nicht, dass wir es schaffen).

Über 50% der Mitarbeiter in Unternehmen haben innerlich gekündigt – und sind für das Management somit kaum mehr erreichbar.

Wir ereifern uns in neuen Formen der Arbeitsorganisation bevor wir auch nur annähernd das Fundament dafür gelegt haben. In meinem neuen Buchprojekt wird es genau darum gehen.

Verhalten kommt vor Struktur (Arbeitsorganisation). Das ist die gemeinsame Erkenntnis der führenden Verhaltens- und Organisationspsychologen.

Die Unternehmen machen es jedoch meist umgekehrt. Neue Titel, neue Strukturen aber – altes Verhalten. Genauso kollabieren Veränderungsvorhaben, und die lernende Organisation wird unerreichbar.

Gefordert sind hier nicht nur die C-Ebenen in Unternehmen. Mehr noch sind es die Eigentümer, Aktionäre, Gesellschafter oder deren Vertreter (Aufsichtsräte), die einen zukunftsfähigen Umbau des Unternehmens, der Klinik oder der Organisation anstreben und durchsetzen müssen.

Der Luftfahrt ist es genau von dort oben gelungen, in Allianz mit renommierten Wissenschaftlern und staatlicher Unterstützung (NASA, FAA, DLR). Sie hat es geschafft, ein Modell sowie eine Lehr- und Trainingsmethode zu entwickeln, die nicht nur die Verhaltensmuster der entscheidenden Personen (den Kapitänen) nachhaltig veränderten, sondern auch deren Akzeptanz für neues Führungsverhalten gefördert haben.

So konnten die Kapitäne, immer wieder darin trainiert, mehr und mehr vorbildhaft und überzeugend handeln.

Die Verhaltensforscher wussten: Vorbilder erzeugen Nachahmer. So setzten die gewünschten Verhaltensmuster zur Seitwärtsbewegung an, erst innerhalb der Crew und dann immer weiter – heute in allen Bereichen der operativen Luftfahrt.

Das Crew-Resource-Management lässt sich in andere Organisationen gut übertragen. Es ist der sichere Weg hin zu einer lernenden Organisation. Sie müssen ihn nur gehen – und ganz oben starten.

Lesen Sie dazu noch eine kleine Geschichte, die sich vor etwa einem Jahr in den USA tatsächlich so zugetragen hat.
Ich habe sie aus dem öffentlichen Fehlermanagement-System ASRS (Aviation Safety Reporting System) der US-Luftfahrt. Es kann von jedermann eingesehen und über die NASA per Newsletter sogar abonniert werden.

Diese Geschichte soll Ihnen Mut machen und zeigen, wie lohnenswert und fruchtbar es für alle Beteiligten ist, eine lernende Organisation anzustreben.

Sonntag, 17. März 2019

Die richtige Führungskultur – das Tool Kit für Führungskräfte

Amy Edmondson ist eine der größten Forscher für Führung und Teamarbeit unserer Zeit.
Ihre Nähe zur Praxis sowie ihre klaren, direkten und prägnanten Botschaften sind faszinierend.
So funktioniert die Führungskräfteentwicklung praktisch.

Eine wesentliche Erkenntnis ihrer Forschung für mich ist:

In Unternehmen wird oft am falschen Ende angefangen, nämlich beim Setup für neue Strukturen und Prozesse.
Der richtige erste Schritt für C´s, die wirklich nachhaltig eine neue, zukunftsorientierte Kultur im Unternehmen gestalten wollen ist:

Schaffen Sie die richtigen Arbeitsvoraussetzungen
(Frame the Work).

Die Forschung von Amy Edmondson spielt eine wichtige Rolle im
Crew-Resource-Management und unseren Trainings für Führungskräfte.


Bildquelle: The Fearless Organization (2018) Amy C. Edmondson

Schauen Sie sich ihre 11-minütige Keynote an. Sie bringt es auf den Punkt:

Freitag, 4. Januar 2019

Unsere aktuellen Literaturtipps für Sie

Wir freuen uns, Ihnen ab sofort unsere Literaturliste (PDF), regelmäßig aktualisiert, vorstellen zu können.



Alle Bücher haben wir, teils mehrfach, gelesen und analysiert.
Die Autoren sind anerkannte und ausgezeichnete Wissenschaftler mit hohem Praxisbezug. Sie prägen wesentlich die Forschung zum Crew-Resource-Management (CRM) – direkt oder indirekt.
Die Aktualisierung erfolgt immer über unseren Newsletter (Anmeldelink).
Es lohnt sich also ein Newsletter-Abo für Sie ;)

Für den Einstieg in das Thema CRM empfehle ich Ihnen besonders die Bücher von Jan-Ulrich Hagen „Fatale Fehler oder warum Organisationen ein Fehlermanagement brauchen“, Schulz von Thun „Miteinander Reden: Kommunikationspsychologie für Führungskräfte“ und Dietrich Dörner „Die Logik des Misslingens“

Standardwerke der Teamforschung haben J.R. Hackmann mit „Leading Teams: Setting the Stage for Great Performances“, Amy Edmondson mit „Extreme Teaming“ und – ganz neu – „The Fearless Organization“ geschrieben.
„The Fearless Organization” wurde gerade von der amerikanischen Fachpresse als „Book oft the Year 2018“ gewählt.
Das Buch ist außerordentlich praxisorientiert und aus meiner Sicht für jede Führungskraft eine Pflichtlektüre.

Der führende Forscher im Bereich Fehler und Fehlermanagement ist der Brite James Reason. Sein Werk „A Life in Error“ beschreibt auf sehr gut lesbare Weise die wissenschaftliche Basis der Fehlerforschung und des daraus entwickelten „Thread And Error Managements“, eine Weiterentwicklung des klassischen Fehlermanagements.
Sein neuestes Buch „Organizational Accidents Revisited“ aus 2016 vermittelt die aktuellen Erkenntnisse der mit nicht mal 30 Jahren sehr jungen Fehlerforschung.
Wer Reasons Forschung richtig versteht, versteht auch die oft gravierenden Fehler im heutigen Qualitätsmanagement und deren Auswirkung auf Effizienz und Innovationen.

Die psychologischen Hintergründe, warum Menschen so handeln wie sie handeln, und wie Beziehungen (privat wie beruflich) aus Sicht der modernen Psychologie und Hirnforschung funktionieren – oder eben nicht – beschreiben Raphael Bonelli und Joachim Bauer – beide weltweit anerkannte Ärzte, Psychiater und Neurowissenschaftler – eingängig und verständlich.
Die Verbindung zum CRM ist sehr eng, da die Beziehung zwischen Menschen einen wesentlichen Einfluss auf ihre Kommunikations- und Führungsqualität hat bzw. bei Teams auf die Effizienz und Fehlerquoten.
Daher stellt Amy Edmondson die auf intakte Beziehungen basierende „Psychologische Sicherheit“ auch als unbedingte Voraussetzung in den Fokus ihrer Betrachtungen.
Das CRM bestätigt diese Forschungen in der Praxis.

Das Buch von Kanki, Helmreich und Anca „Crew-Resource-Management“ ist das Basiswerk des CRM für die weltweite Pilotenaus- und weiterbildung.
Die hier dargestellten Verhaltensmuster und Regeln sind zudem Grundlage für die Personalauswahl von Crews in Cockpit und Kabine.
Heute spielt bei Checks und Fortbildungen in der operativen Luftfahrt (Crews, Technik, Bodenpersonal, Flugverkehrskontrolle, Flughafenbetrieb und Luftfahrtbehörden) das CRM eine dominierende Rolle, gleichwertig neben der jeweiligen Fachausbildung.

Um die Psyche eines „Helden“ und die Geschichte des alten Heldenbildes in der Gesellschaft zu verstehen, bezieht sich die Forschung dann und wann auf den authentischen Roman „The Right Stuff“ von Tom Wolfe. Er beschreibt die Historie der US-Testpiloten und Astronauten-Generation von 1945 bis in die 1970er-Jahre.
Im Crew-Resource-Management hat man erkannt, dass es nicht mit der pauschalen Abschaffung von Helden getan ist. Menschen brauchen Helden und sie brauchen Führung!
Nur das Bild und die Rolle des Helden musste von Grund auf „modernisiert“ werden.
Der Flugkapitän von heute ist in der neuen Heldenrolle aufgewachsen oder „umtrainiert“ worden.
Chesley Sullenberger, der „Held“ vom Hudson, hat dieses neue Rollenverständnis, zusammen mit seiner Crew, im Zuge seiner meisterhaften Notwasserung auf dem Hudson im Jahr 2009, in die breite Öffentlichkeit getragen.
Sullenberger ist noch heute, 10 Jahre später, in den USA das Vorbild für eine mustergültige, moderne Führungskraft.

Das Fazit aller Forschungen ist:

Führen muss erlernt und laufend trainiert werden, um Teams effiziente, fehlerarme, und innovative Arbeit zu ermöglichen.
Obwohl das seit 20 Jahren bekannt ist und die Umsetzung der Erkenntnis des Crew-Resource-Managements in der Luftfahrt zu einzigartigem Erfolg geführt hat, widmen Wirtschaft und Kliniken ihm (bisher) kaum ernsthafte Aufmerksamkeit.

Samstag, 29. Dezember 2018

In de-briefing, the chance of critical learning arises when...

A great lecture (Link LinkedIn) by Chesley Sullenberger on the importance of de-briefings. Modern behavioural research confirms that critical learning is only possible at all in de-briefings.

In leadership culture of Crew-Resource-Management it works pretty well due atmosphere of psychological safety – no one is „guilty“, no one will be punished, no one loses face, everything may be said, nobody is afraid. Only then critical learning really takes place.


This requires a lot of training for crews, not just in terms of expertise. But also in matters of reflection, self-control and team-behaviour. Aviation has understood this - business and hospitals still have a long way to go.

(Deutsche Übersetzung)

Ein großartiger Vortrag (Link zum Original-Vortrag auf LinkedIn) von Chesley Sullenberger über die Bedeutung von De-Briefings.
Die moderne Verhaltensforschung bestätigt, dass nur in De-Briefings kritisches Lernen überhaupt möglich ist.

In der Führungskultur des Crew-Ressourcen-Managements funktioniert es ziemlich gut, aufgrund der Atmosphäre psychologischer Sicherheit - niemand ist "schuldig", niemand wird "bestraft", niemand verliert das Gesicht, alles kann gesagt werden, niemand hat Angst.
Nur dann findet das kritische Lernen wirklich statt.
Das erfordert ein fortwährendes, umfangreiches Training der Besatzungen, nicht nur in Bezug auf das Fachwissen, sondern auch in Sachen Reflexion, Selbststeuerung und Teamverhalten.

Die Luftfahrt hat das verstanden - Wirtschaft und Kliniken haben noch einen langen Weg vor sich.

Donnerstag, 27. Dezember 2018

Unternehmen brauchen nicht Leute, die besonders viel über Führung wissen

“Many leadership development programs focus on learning about leadership. But organizations need better leaders, not managers who are more knowledgeable on leadership.”

Das sagt Henry Mintzberg

(Meine Übersetzung: „Führungskräfte-Entwicklung konzentriert sich häufig auf Wissen über Führung. Aber die Unternehmen brauchen bessere Führungskräfte, nicht Leute, die besonders viel über Führung wissen.“)

Das Ergebnis beschreibt Mintzberg in seinem Video recht deutlich, hier einige Aussagen:

  • Führungskräfte handeln sprunghaft, unterbrechen ohne Struktur und klares Ziel laufende Prozesse
  • Führungskräfte denken meistens kurzfristig
  • Führungskräfte verursachen Hektik
  • Die Strategien der Führungskräfte stammen selten aus einem geplanten und durchdachten Prozess. Sie werden aus kurzfristiger Ergebnisorientierung oder Notfällen betrieben
  • Führungskräfte kann man nicht im Klassenraum aus Büchern ausbilden

Henry Mintzberg gehört zu den erfolgreichsten und anerkanntesten Managertrainern der Welt. Seine Erkenntnisse hat er nicht aus Büchern oder der Universität, sondern aus der Praxis in Unternehmen aller Branchen.

Das Crew-Resource-Management (CRM) der Verkehrsluftfahrt kommt nach mehr als 30 Jahren Praxis und 5 Entwicklungsstufen genau zu den gleichen Ergebnissen:

Führen KANN man nicht nur lernen, man MUSS es!

Dazu bedarf es eines lehrtauglichen, wissenschaftlich fundierten Modells und ständigen Trainings.

Eine gute Fachkraft ist noch lange keine gute Führungskraft.

Das war damals die bittere Erkenntnis in der Verkehrsluftfahrt.
Fachlich sehr gut ausgebildete Flugkapitäne mit jahrzehntelanger Erfahrung und eine ausgereifte technische Umgebung reichten nicht aus, die Flugzeuge zu einem wirklich sicheren Verkehrsmittel zu machen.
Erst durch die Umsetzung des CRM mit Hilfe vieler Trainings entstanden aus vermeintlichen Teams echte Teams, ausgestattet mit wirkungsvoller Teamintelligenz.
Fortan gingen die Unglücke bei den Airlines um über 90% zurück.

Die meisten Unternehmen stehen in Sachen Führungsqualität und Teamintelligenz dort, wo die Luftfahrt vor dem CRM, also vor 1980, gestanden hat.
Die Ergebnisse können wir täglich in der Zeitung lesen.



Mintzberg setzt in Managerworkshops auf realistische Simulationen und die Peer-Group, genau wie das Crew-Resource-Management.

Nur wenn das Training starke Emotionen auslöst, die sofort verarbeitet und in Erkenntnisse umgesetzt werden, ist es wirklich nachhaltig.



Eine Trainingsmethode, die ich mit 30 Jahren praktischer Führungserfahrung zu 100% richtig finde.
Daher setzen auch wir darauf.

Freitag, 21. Dezember 2018

Bleiben Sie sachlich – von wegen

In der Forschung zum Crew-Resource-Management (CRM) gewann man sehr schnell die Erkenntnis, dass in der erfolgreichen Kommunikation der Schlüssel für effizientes Führen steckt.

Zwar hatte schon der Hamburger Kommunikationswissenschaftler Schulz von Thun mit seinem bekannten Kommunikationsquadrat die vier Seiten einer Nachricht definiert. Die Aussage alleine ist jedoch „nur“ eine Erkenntnis, keine Anleitung für erfolgreiches Führen.

Erst 1993 beschrieb die erste Ausgabe des Buches Crew Resource Management von Kanki, Helmreich und Anca eine für die Führungsmethode des CRM brauchbare Umsetzung dieser vier Seiten.

Kommunikation hat so viele Aufgaben, dass sie wesentlichen Einfluss auf Teamleistung und Effizienz hat.
 Viele Versuche und wissenschaftliche Testreihen mit Crews haben dabei eindeutig belegt:

Vor allem das Kommunikationsverhalten des Teamführers (hier der Kapitän) steuert unmittelbar die Leistung und Effizienz seiner Mannschaft

UND

die Beziehung (Kommunikationsquadrat) zwischen Sender und Empfänger ist der entscheidende Faktor für das Gelingen. Ist die Beziehung gestört, hat der Sachinhalt kaum bis keine Chance anzukommen! Die Kommunikation wird ineffizient bis destruktiv.


Jeder der hier aufgeführten 5 Punkte erfüllt in der Praxis mehrere Aufgaben zugleich.

Dabei bestimmt das erste Zusammentreffen eines Teams wesentlich seine weitere Leistungs- und Effizienzkurve.

Ein Beispiel:


Das Briefing vor dem Abflug durch den Kapitän hat einen sehr hohen Stellenwert und die Kommunikation erfüllt hier mehrere Aufgaben im Team:


  • Es gibt dem Team (hier der Crew) alle relevanten Informationen für den Flug.
  • Es erlaubt dem Kapitän sein Führungsverhalten und für ihn wichtige Punkte transparent zu machen und eine positive hierarchische Beziehung zu seiner Crew aufzubauen.
  • Es gibt dem Team Sicherheit, da es das Führungsverhalten und die für den Kapitän wichtigen Punkte jetzt einschätzen kann.
  • Es gibt der Crew Gelegenheit, Fragen zu stellen, wichtige Punkte einzubringen und Unklarheiten zu beseitigen.

Merke:



Der Verlauf dieses ersten Briefings bestimmt wesentlich die Team-Performance! Daher werden an das Briefing auch klare Voraussetzungen geknüpft:


Montag, 17. Dezember 2018

Sehr gutes Fehlermanagement – ein aktuelles Beispiel

Der Krieg gegen Fehler wird nie enden – und es wird nie einen klaren Sieger geben.

Zitat James Reason, weltbekannter Fehlerforscher, in seinem neusten Buch „Organizational Accidents Revisited“
 (Link zu Amazon)



Die Luftfahrt gibt immer wieder Beispiele für schnelles, effektives und lösungsorientiertes Fehlermanagement. Eigentlich ist es mehr als das, nämlich „Thread And Error Management (TEM)“, die Fortentwicklung des klassischen Fehlermanagements.


Denn, nicht der Fehler selbst wird mehr für sich alleine betrachtet und aufgeklärt, sondern sein gesamtes Umfeld einbezogen.
Dabei tritt in den meisten Fällen eine komplexe Ursachen-Wirkungskette auf. Singuläre Kausalitäten finden sich nur selten.
Es sind fast immer komplexe Mechanismen, die Sicherheits-Barrieren brechen lassen und dann in einem fatalen Ereignis enden.
Oder in kurzem Deutsch: es macht nicht plötzlich Plumps und ein Flugzeug fällt vom Himmel, auch wenn es für Außenstehende so aussieht.



Jetzt zu meinem aktuellen Beispiel, dem bitteren Ende des Lion Air Fluges JT 610 in der Nähe von Jakarta:

das Unglück passierte Ende Oktober und heute, am 12. Dezember 2018, greift bereits weltweit ein umfangreiches Maßnahmenpaket bei Airlines, Hersteller und den Trainingscentern für die
Boeing 737 MAX.

Es sind nur knapp 45 Tage vergangen, da liegt nicht nur ein öffentlich zugänglicher, offizieller Zwischenbericht über wesentliche Fakten des Unglücks vor, sondern es wird bereits ein Bündel von konkreten Maßnahmen (siehe weiter unten) umgesetzt.
Dieses Paket sorgt in kürzester Zeit für ein deutliches Plus an Sicherheit in der Luftfahrt.

Wie unsere Gesellschaft im Allgemeinen auf solche Fehler reagiert, haben wir leider wieder in vielen Medien erlebt.

Da berichtet SPIEGEL-online vom „verschlimmbesserten Flugzeug Boeing 737“ unmittelbar nach dem Unfall, und eine breite Presse äußert „skandalträchtige Abläufe“ bei Lion Airbus-A320-Simulator.
In den sozialen Medien werden von „Experten“ schnell Schlüsse über die unverantwortliche Abhängigkeit von nur einem Sensor für die Flugsicherheit gezogen.
Zwischendurch wird Boeing noch mal moralisch an die „Wand genagelt“, weil sie angeblich nicht ausreichend auf die neue Technik zur automatischen Vermeidung von Strömungsabrissen in den Handbüchern hingewiesen haben.

Fast alle medialen Darstellungen und öffentlichen Diskussionen haben eines gemeinsam: sie lieben die singuläre Kausalität, suchen den einen Schuldigen und verfallen aktionistisch in Rückschaufehler.

Weil der oder das so war, sind jetzt 189 Menschen tot. Und, es ist doch klar, dass dieses oder jenes zu diesem oder jenem Ergebnis führt.
Ja, heute, nach dem fatalen Ereignis und genauer Untersuchung wird das Bild klarer, aber vorher ist es das eben nicht, weil die Erkenntnisse von heute damals gar nicht bekannt waren (Rückschaufehler).


Die Luftfahrt hat dank des Crew-Resource-Managements zum Wohle aller eines gelernt:

Sie lassen sich nicht (mehr) von solchen Verhaltensmustern beeinflussen oder gar lenken.

Die präzise Untersuchung eines Luftfahrtunfalls ist überhaupt nur möglich, weil die beiden „Black Boxen“ an Bord alle Vorgänge in Cockpit, Kabine und bei der Verkehrslenkung, inklusive der Kommunikation zwischen allen direkt Beteiligten, aufzeichnen und damit wichtige Fakten bereitstellen.

Flugunfalluntersucher, Airlines und Hersteller arbeiten bei der Analyse und dem daraus abzuleitenden Paket an Verbesserungen und Maßnahmen international, mit offenem Visier zusammen.

Ja, da zeigt auch mal einer der Betroffenen „Nerven“, wie hier die Lion Air, die, glaube ich etwas unüberlegt, über Stornierungen der laufenden B737 MAX-Bestellungen gesprochen hat.

Doch diese Irritationen sind immer nur von kurzer Dauer und es wird von den anderen Beteiligten nicht nachgetragen.

Offene, direkte, prägnante und schnelle Kommunikation und der unvoreingenommene Umgang mit den zu Tage geförderten Fakten sorgen in kürzester Zeit dafür, dass ein Wiederholungsfall dieser Fehlerkette sehr viel unwahrscheinlicher wird – und zwar bei weltweit allen Airlines und dem Hersteller zugleich.


Mit der Inbetriebnahme der neuen Boeing 737 MAX wurde ein Flugzeug in den Luftverkehr gebracht, dass mit der ursprünglichen 737, mit analogen Steuersystemen, nicht mehr viel gemein hat. Das wurde unterschätzt, von vielen Beteiligten, nicht nur von Boeing selbst.
Menschen machen diese Fehler, das ist unvermeidlich – eine wesentliche Erkenntnis der Fehlerforschung und auch im Crew-Resource-Management.

Klar, irgendeiner löst letztlich die Handlung(en) aus (sharp end, wie die Fehlerforscher sagen), die das fatale Ereignis zur Folge hat.
Den oder die als Schuldige zu benennen, zu bestrafen und dann zur Tagesordnung überzugehen würde niemandem nützen. Es macht weder die Toten wieder lebendig noch vermeidet es die Wiederholung dieser fatalen Kettenreaktion.

Im Falle von Flug JT 610 und seinem traurigen Ende waren das „sharp end“ die technisch Verantwortlichen der Airline und die Piloten. Ja, sie sind in der Fehlerkette auch sehr relevant. Sich auf sie alleine in der Betrachtung zu beschränken, würde jedoch den Flugbetrieb mit der B737 MAX nicht wirklich sicherer machen.

Erst das Zusammenspiel der Maßnahmen, hier aus Softwareänderungen im Flugzeugmanagement, einsetzen zusätzlicher Warnsysteme im Cockpit, klarerer Dokumentationen der neuen Technik für die Piloten, verbesserter Ausbildung für diesen Flugzeugtyp und natürlich eine grundlegende Überarbeitung der Verfahren bei Lion Air und anderen zum Umgang mit solchen technischen Störungen erhöht wirklich die Flugsicherheit.

Die Verkehrsluftfahrt steht ständig vor enormen Herausforderungen, technischer wie organisatorischer Hinsicht. Immer mehr Automatisierung, überfüllte Lufträume und scharfer Wettbewerb, mit schmalen Margen, sind nur sicher zu bewältigen, wenn das System der Fehleraufarbeitung so gut funktioniert wie es das jetzt tut.

Natürlich lässt sich auch das TEM stets weiter verbessern. Die immerwährende Unvollkommenheit lässt Qualitätsmanager und Unfallforscher in der Luftfahrt nicht mutlos werden.

So geht James Reason in seinem oben erwähnten Werk auch mit „Target Zero“, also null Fehler- Forderungen und Modellen hart ins Gericht.
Noch härter geht er mit Managern um, die Forderungen wie „x-Prozent Fehlerreduzierung in n-Jahren“ postulieren. Die Vorgehensweise „fordern sie das Unmögliche um das Mögliche zu erreichen“ ist tödlich für jedes Qualitätssystem, hemmt den Fortschritt und erzeugt nachhaltige, oft fatale Kollateralschäden. Auch in Deutschland leben uns Unternehmen so etwas (leider) immer wieder vor.

Seien Sie sicher, dass mit der fortlaufenden Weiterentwicklung des Crew-Resource-Managements das Mögliche getan wird immer besser zu werden. Die Teams funktionieren und das gemeinsame Ziel ist für jeden darin erstrebenswert, eine der wichtigsten Bedingungen für echte Teams.
Das, zusammen mit den richtigen Voraussetzungen für erfolgreiche Teams, bringt maximal möglichen Output – aber, Fehler werden immer wieder passieren.


Wieviel Geld könnte gespart, wieviel Burnouts und innere Kündigungen verhindert werden, wieviel mehr Innovationen schneller an den Markt, und wieviel weniger Patienten zu Schaden kommen, wenn die Verhaltensweisen und Regeln des Crew-Resource-Managements auch in Unternehmen und Kliniken nachhaltig etabliert werden.

Mittwoch, 12. Dezember 2018

Führungskräfte dürfen nicht aus dem Bauch entscheiden

Ein Interview mit Thomas Fengler zum Thema „richtig Entscheiden“ nach der FOR-DEC Methode des Crew-Resource-Managements (CRM)


Kopf oder Zahl? Rot oder schwarz? Wir müssen uns jeden Tag entscheiden. Aber wie trifft man eine wirklich gute und vor allem richtige Wahl?

Thomas Fengler hat eine klare Empfehlung aus der Luftfahrt, die auch Unternehmen anwenden können:
 FOR-DEC.


Benjamin Franklin hat einmal gesagt: „Die schlimmste Entscheidung ist die Unentschlossenheit.“ Sehen Sie das auch so?

Ja, Entscheidungen sind notwendig und wir treffen täglich unzählige. Sicherlich auch häufig sehr unbewusst, zum Beispiel, wenn wir uns dazu entschließen, ein Eis zu kaufen. Aber spätestens im beruflichen Kontext haben Entscheidungen ein ganz anderes Gewicht. Führungskräfte können es sich nicht erlauben, unentschlossen zu sein. Sie dürfen aber auch nicht ad hoc entscheiden.

Was beeinflusst Entscheidungen?

Eine Entscheidung wird von einer vergangenen Erfahrung gesteuert. In der Psychologie nennt man dieses Phänomen „Similarity Matching“. Ein Entscheider versucht, die akute Situation mit Hilfe seiner Erfahrung zuzuordnen. Er pickt sich ein passendes Muster heraus, um die Situation zu bewältigen. Wenn kein Muster passt, kommt es zu einem anderen psychologischen Phänomen, dem „Frequently Gambling“. Ein Entscheider trifft eine Entscheidung anhand dessen, was in der Vergangenheit immer den größten Erfolg gebracht hat. In diesem Fall ist bei den meisten Menschen die Strategie – leider –, nichts zu tun und die Situation auszusitzen.

Womit wir wieder bei der Unentschlossenheit wären...

Richtig. Und es liegt auf der Hand, dass sich kein Unternehmen in dieser schnelllebigen Zeit leisten kann, zu zögern. In der heutigen Welt braucht es mehr denn je gute und vor allem richtige Entscheidungen. Solche Entscheidungen trifft man nach meiner Erfahrung aus der Luftfahrt in Zusammenarbeit mit einem echten Team und einem strukturierten Entscheidungsmodell.

Wie kann ein Team eine Entscheidung unterstützen?

Wenn es um richtige und gute Entscheidungen geht, hat eine Führungskraft in der heutigen komplexen Welt alleine keine Chance. Wenn Viele an einem Fall beteiligt sind, können auch mehrere Optionen geprüft und Risiken abgewägt werden. Alle Perspektiven zahlen in einen Topf ein, den eine einzelne Person alleine nicht füllen könnte – und falls doch, nur unter erheblichem Stress. Wichtig ist allerdings, dass die beteiligten Personen offen sagen dürfen, was sie denken.

Aber heißt es nicht auch, dass mehrere Köche den Brei verderben?

Wenn wir bei dem Vergleich bleiben, kommen hier eher alle Zutaten auf den Tisch, aber der Koch schubst sie dann in den Topf. Es herrscht oft das Vorurteil, dass bei der Anwendung von Entscheidungsfindungsmodellen am Ende alle die Entscheidung treffen. Das ist aber absolut nicht so. Entscheidungsfindungsmodelle sind keine „Wir haben uns alle lieb“-Geschichte. Sie sind ein zusätzlicher Rechercheschritt. Es handelt sich um ein gemeinsames Abklopfen der Möglichkeiten, um dem Entscheider die bestmöglichen Voraussetzungen zu bieten, eine gute und richtige Wahl treffen zu können.

In der Luftfahrt haben Sie das FOR-DEC-Modell kennen gelernt und erfolgreich eingesetzt. Wie funktioniert dieses Entscheidungsfindungsmodell?

FOR-DEC unterteilt Aufgabenstellungen in Segmente, klopft sie auf die entsprechende Zielorientierung ab und ordnet die Elemente dann den Zielen zu. Das heißt, dass eine Situation nach verschiedenen Mustern durchgescannt wird. Nach Fakten (F = Facts), nach den sich daraus ergebenen Optionen (O = Options) und den zu berücksichtigenden Risiken (R = Risks). Erst nach dem Durchlaufen dieser Segmente kommt es zur Entscheidung (D = Decision). Diese wird ausgeführt (E = Execution) und geprüft, ob sie zum Erfolg führt (C = Check). Wichtig ist, dass die einzelnen Schritte nicht miteinander vermischt werden. Eine Problemstellung durchläuft strikt diese Reihenfolge.

Wann und wie wendet eine Flugzeugcrew FOR-DEC an?

Zum Beispiel bei undurchsichtigen Wetterverhältnissen. Gemeinsam prüft die Crew zunächst alle Fakten. Welche Wetterbedingungen herrschen konkret? Wie groß ist der Kraftstoffvorrat? In diesem Schritt werden keine Bewertungen abgegeben. Danach werden die Optionen geprüft. Wichtig: Alle werden angesprochen, auch wenn sie abwegig erscheinen, wie: „Obwohl wir noch genügend Sprit an Bord haben, könnten wir das Flugzeug auf einem Ausweichflughafen landen.“ Würde eine Option sofort bewertet, findet sie vielleicht gar keine Beachtung. Anschließend werden die Risiken abgeschätzt. Erst an dieser Stelle werden die Fakten und Optionen tatsächlich bewertet. Hier kann Erfahrung eine wichtige Rolle spielen. Entscheidend bleibt aber, dass wieder das gesamte Team einbezogen wird. Auf dieser Grundlage entscheidet der Kapitän unabhängig. Die Entscheidung muss dann von der gesamten Mannschaft bestätigt und gemeinschaftlich ohne Zögern ausgeführt werden. Jedes Teammitglied überprüft, ob die gewählte Handlung zum gewünschten Ziel führt (Execkution). Falls nicht, startet der gesamte FOR-DEC-Prozess von vorne. Er wird außerdem wiederholt, wenn sich im letzten Schritt „Check“ zeigt, dass sich die Entscheidung als nicht mehr zielführend erweist.

Sie haben erwähnt, dass FOR-DEC in einer eingespielten Crew automatisch abläuft und der Kapitän nur gelegentlich durch den Prozess moderiert. Was ist außerdem wichtig, damit das Modell funktioniert?

Es ist wichtig, dass alle Teammitglieder die Regeln des Modells kennen und trainiert haben. Darüber hinaus ist Wesentlich, dass klar zwischen dem Sammeln und Bewerten von Informationen getrennt wird. Es gilt: Wer zu früh bewertet, schließt zu früh Dinge aus.

In der Luftffahrt hat sich FOR-DEC seit über 30 Jahren bewährt und maßgeblich dazu beigetragen, Fehlerquoten zu minimieren. Warum glauben Sie, dass sich das Modell auch für Unternehmen eignet und übertragen lässt?

Ein Flugzeug verzeiht nicht viele Fehler – vor allem aber keine Fehlerketten. Während ein Flugzeug abstürzt und alle sterben, kommt es in Unternehmen bei Fehlentscheidungen meistens „nur“ zu finanziellen Schäden. Bei beiden Systemen sind schnelle Entscheidungen notwendig. Eine weitere Gemeinsamkeit: Die Führungskraft in einem Unternehmen übernimmt dieselbe Rolle wie ein Kapitän.

Am Anfang sprachen wir darüber, dass Unentschlossenheit keine Option in der Führung sein kann. Was sind weitere Fehler beim Treffen von Entscheidungen?

Bei der ersten Übung im Flugsimulator sollen die Teilnehmer meines Führungskräftetrainings das Flugzeug landen. Die klassische Führungskraft entscheidet sich sofort zu handeln, guckt sich alle Schalter an, sucht nach Checklisten und Bedienungsanleitungen – sie trifft impulsive, aktionistische Bauchentscheidungen. Das ist aber total falsch. Jeder Schalter, der übereilig betätigt wird, ist der sichere Weg in den Tod. Auf die simple Idee, nach Hilfe zu fragen, kommt kaum jemand. Nach einiger Zeit unterbreche ich und beginne, gemeinsam die Fakten zu sammeln. Außerdem prüfen wir die Optionen und erst in diesem Schritt kommen die Teilnehmer darauf, dass sie Hilfe über Funk anfordern können. Wenn der Bauch ausgeschaltet ist und der Kopf übernimmt, wird die einzig richtige Schlussfolgerung gezogen. Führungskräfte entscheiden aber zu häufig falsch. Es gibt sogar viele, die ganz stolz behaupten, sie seien Bauchmenschen. Meine Erfahrung sagt mir ganz klar: Führungskräfte dürfen nicht aus dem Bauch heraus entscheiden.

Heißt das, in die Unternehmenswelt übertragen: „Hilfe ist immer eine Option“?

Hilfe anzufordern ist sehr häufig eine Lösung für Probleme von Führungskräften, allerdings sind sie nicht gewohnt, sie in Anspruch zu nehmen. Dies wird mit als Schwäche ausgelegt. Das Gegenteil ist aber der Fall.

Wie kann in Unternehmen die Anwendung von FOR-DEC gelingen?

Zunächst müssen alle das Modell einfach kennen lernen. Am Anfang hilft es, sich mit Karten, welche die die einzelnen Schritte beschreiben, zu orientieren. Die Führungskraft sollte den Prozess moderieren und gut zuhören können. Und dann ist es eine reine Übungssache. Gutes Führen muss gelernt sein und Gleiches gilt für das Treffen guter Entscheidungen.

Sie würden sicher den Satz des Philosophen antiken Autors Epicharm abschließend unterstützen: „Überlasse die Entscheidung nicht der Leidenschaft, sondern dem Verstand!“

Richtig, geprägt durch den Willen! Eine emotional gesteuerte Entscheidung ist keine richtige Grundlage für die Lebens- oder Mitarbeiterführung noch taugt sie zur guten Problemlösung.
Diese Erkenntnis ist in der modernen Verhaltensforschung auch belegt. Wer das konzentriert hören möchte, dem empfehle das Interview mit Prof. Raphael Bonelli aus Wien.
Er fast das in wenigen Kernsätzen gut verständlich zusammen. Zwei dieser Sätze (Zitat) finde ich besonders prägnant und wichtig:

Die Emotion ist kein Kompass für die richtige Entscheidung

und

Das Bauchgefühl kennt keine Moral, keine Vernunft und kann keine Richtung angeben


Das Interview führte die Autorin Julia Kottkamp aus Hamburg

Dienstag, 4. Dezember 2018

Arbeitsklima gestört – Firma im Sinkflug

Neurobiologen, wie Gerald Hüther, können seit einigen Jahren nun auch mit bildgebenden Verfahren (MRT) nachweisen, wie immens die Bedeutung der Beziehungsebene zwischen Menschen auf ihre Motivation, Leistungsabgabe und Fehleranfälligkeit ist.



Auch in der Fehlerforschung kommt James Reason in seinem neuesten Werk, Organizational Accidents Revisited (2016), zu der Erkenntnis, dass Stressfaktoren durch gestörte Beziehungen in der Hierarchie und im Team für Fehlerpotentiale bisher erheblich unterschätzt wurden.

So hat der Sachinhalt im berühmten Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun keine Chance mehr, wenn die Beziehungsebene zwischen Sender und Empfänger gestört ist.

Hier liegt die Hauptursache für Ineffizienz, hohe Krankenstände, Fluktuation und für das Unternehmen oder eine Klinik viel zu hohe Fehlerquoten.

Das produziert nicht nur Schlechtleistung, sondern auch Stillstand, mangelnde Innovation und Perspektivlosigkeit.

Daher stellt Amy C. Edmondson, einer der aktuell anerkanntesten Teamforscherinnen, in Ihren Forschungen die „psychologische Sicherheit“ in den Mittelpunkt guter und leistungsfähiger Teamarbeit.


Was der Umgang mit einem Menschen bewirken oder anrichten kann lesen Sie in meiner kleinen Geschichte mit den Bauklötzen

Dienstag, 27. November 2018

Was kommt nach dem Cockpit?

Führungskräfteentwicklung kennt viele Theorien und Bildungsvarianten, jedoch wenig Umsetzung des Gelernten in die Praxis.
Der Druck in Unternehmen und Kliniken ist hoch, die Herausforderungen nehmen weiter zu und die Zeit für gute und fehlerarme Lösungen wird immer knapper.
So erklärt sich auch die wachsende Nachfrage nach einer weiteren Begleitung nach unseren Seminaren.
Immer mehr Unternehmen erkennen, wie wertvoll die Inhalte des Crew-Resource-Managements (CRM) sind und wünschen sich konkrete Hilfe bei der Umsetzung.



Das CRM setzt seit über 30 Jahren auf die Forschung – aber nicht alleine.
Die Väter des CRM haben von Anfang an eine feste Verbindung aus Wissenschaft und praktischer Umsetzung geschaffen. Diese konsequente Verknüpfung sichert bis heute den Erfolg dieses Modells.

Wissenschaftler, Ausbilder, Crews, Gesetzgeber, Technik, Hersteller und die kaufmännische Führung der Airlines sitzen dabei immer zusammen im Boot.
Gemeinsam führten sie das CRM erfolgreich durch verschiedene Zeitenwenden, bis in die Herausforderungen der Globalisierung und interkulturellen Arbeitswelten.
Crew-Resource-Management bestimmt heute, in seiner 7. Entwicklungsstufe, fast alle Bereiche der operativen Luftfahrt.

Piloten, Flugbegleiter, Ground-Handling, Operation, Airport-Management, Flugzeughersteller und ihre Lieferanten, Wartung und Flugverkehrskontrolle – alle sind mittlerweile gut im CRM geschult und trainiert.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Trotz hohem wirtschaftlichem Druck, sich schnell ändernden Bedingungen, zügiger technischer Entwicklung und hohen personellen Herausforderungen zeigt die Entwicklung der Sicherheit in der kommerziellen Luftfahrt klar und stabil nach oben.

Die Aufgaben am Himmel werden von Menschen gelöst, wie die Aufgaben in Unternehmen.
Das CRM und seine Regeln sind auf das Wesen und die Verhaltensmerkmale von Menschen in unterschiedlichen Hierarchien zugeschnitten.
Deshalb hat es seine klar messbare und unvergleichliche Erfolgsgeschichte geschrieben.

Und aus demselben Grund lassen sich die Elemente des Crew-Resource-Managements auf jedes Unternehmen, jede Klinik und jede Organisation übertragen.

Immer mehr Unternehmen erkennen, wie wertvoll und nachhaltig die Inhalte des CRM sind, und wünschen sich eine konkrete Umsetzung in die Praxis.

Wir bieten Ihnen an, Sie vor Ort zu unterstützen oder direkt Projekte zu leiten.

Das Ergebnis ist:

Donnerstag, 22. November 2018

Goldene Regeln der Kommunikation – Best Practice im Cockpit

Sie haben in meinen Beiträgen schon viel über das weltweit erfolgreichste Führungs- und Arbeitsmodell gelesen: das Crew-Resource-Management (CRM) in der Verkehrsluftfahrt.

Immer wieder werde ich gefragt, was denn die Regeln aus dem Cockpit mit dem Alltag einer Führungskraft zu tun haben.

 Gerne berichte ich Ihnen dazu zwei Beispiele.




1. Beispiel: „Kartenspiel“

Nicht nur damals, in der Einführungsphase des CRM, widersprachen die einzuhaltenden Regeln dem, was viele von uns empfinden: Vorbehalte, mit Menschen zu sprechen, die sehr weit über oder unter uns in der Hierarchie stehen.

In BEIDE Richtungen sollte also reibungslos kommuniziert werden: Von oben nach unten UND von unten nach oben. Das ist das Ziel.

Besonders den „alten Hasen“ unter den Kapitänen fiel es schwer, die überkommenen hierarchischen Spielregeln hinter sich zu lassen. Und das, obwohl sie längst eingesehen hatten, wie vorteilhaft das CRM ist.



Was tut man in der Luftfahrt in solchen Fällen?


Man schafft Hilfen in Form von Checklisten und ähnliches. Diese führen schnell und prägnant durch neue oder von der eingefahrenen Routine abweichende Situationen.


So kamen Psychologen und Methodik-Spezialisten auf die Idee, die goldenen Regeln der Kommunikation aus dem CRM auf kleine, knapp postkartengroße Karten zu drucken.

Viele, vor allem US- Airlines bieten diese an, und auch ältere und hocherfahrene Kapitäne sind mit diesen Kärtchen unterwegs. Sie nennen das liebevoll ihr „CRM-Toolkit“.

Auf einer Karte mit der Überschrift „Effektive Kommunikation“ steht geschrieben (eigene Übersetzung):



  • Sei klar – vermeide unpräzise Begriffe
  • Sei direkt – vermeide Andeutungen
  • Sei prägnant – sag nur, was für diese Botschaft nötig ist
  • Sei rechtzeitig – spreche es an, wenn es die Situation erfordert


Eine andere wichtige Karte zur Stressvermeidung ist „Erkenne Warnzeichen”:



  • Nicht mehr reden
  • Nicht mehr zuhören
  • Hektik
  • Unsicherheit
  • Verwechslungen

2. Beispiel: „Zaubersatz“

Nun, diese Warnzeichen zu erkennen ist das eine. Das andere ist, zu wissen, wie man darauf reagiert.



In diesem Zusammenhang mir im CRM-Training dieser Zaubersatz eingeprägt worden:

„Was hielten Sie für angemessen?“ („What would you be comfortable with?“)



Und ich verwende diesen Satz seitdem reichlich und gerne bei sich nähernden Konflikten.



Hierzu erzähle ich Ihnen ein Beispiel aus dem selbst erlebten Crew-Alltag:



Vor einem Flug von Lanzarote nach Hamburg erwähnte der erste Offizier (F/O), dass er Bedenken wegen der knappen Kraftstoffreserve an Bord habe.

Der Kapitän war überzeugt, es sei mehr als genug davon in den Tanks.

Anstatt dem F/O über den Mund zu fahren: „Da fehlt Dir die Erfahrung, ich bin der Kapitän und ich sage Dir, es ist genug Sprit an Bord“, ging er auf ihn ein.

Gemeinsam besprachen sie die Möglichkeiten:
 „Wir können nicht mehr Sprit mitnehmen da wir sonst unser maximales Abfluggewicht überschreiten. “
„Eine Zwischenlandung – z. B. in Sevilla – würde mindestens eine Stunde Verspätung bedeuten und die Airline fast 10.000 € kosten – ganz zu schweigen von den verpassten Anschlüssen.“

Sie diskutierten wenige Minuten.

Schließlich fragt der Käpt’n: „Was hielten Sie für angemessen”?


Sie einigten sich darauf, öfter als vorgeschrieben den Kraftstoffverbrauch und die Wetterlage zu überprüfen und beim ersten Anzeichen von Spritmangel in Sevilla zwischenzulanden.

„Das ist prima“, freute sich der F/O. Der Kapitän hatte seine Bedenken ernst genommen. Er hat vermieden, den ganzen Flug in einer gespannten menschlichen Atmosphäre zu verbringen.

Das Team funktionierte so, wie es sollte, mit voller zwischenmenschlicher Leistungsfähigkeit.
Das ist, vor allem in einer Notsituation, überlebenswichtig im Cockpit.


Dabei hatte der Kapitän es noch einfach, denn der F/O zögerte nicht, seine Bedenken gegenüber dem ihm menschlich unbekannten und vorgesetzten Kapitän zu äußern.
Er war im CRM-Training als junger Flugzeugführer dafür ausgebildet worden.



Ich finde, es ist ein gutes Beispiel wie in einer Hierarchie auf Augenhöhe und wertschätzend miteinander gelebt und gearbeitet werden kann, egal ob im Cockpit, im Unternehmen, einer Bank oder in der Klinik.



Die Luftfahrt hat schon bewiesen, welche enormen Vorteile aus diesem Vorgehen erwachsen.
Und dieselben großen Potentiale kann jedes Unternehmen nutzen!

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