Freitag, 14. Mai 2021

Die 8 Phasen der Veränderung – deshalb scheitern die meisten Change-Prozesse in der Praxis

Change-Prozesse scheitern in 80 % der Fälle. Das ist hinlänglich bekannt, zig-fach kommentiert und es wird trotzdem nicht besser.

Warum scheitern "Changes" so oft?

Der weltberühmte Fehlerforscher James Reason liefert in seinem gut lesbaren "Abschieds"-Werk A Life in Error eine gute Begründung. Dass ich von dieser Herleitung so überzeugt bin, liegt an der Parallele zur Geschichte des Crew-Resource-Managements (CRM) der Luftfahrt.




Die zusammenfassende Erkenntnis von James Reason ist:
Der Erfolg von Veränderungs-Prozessen hin zu einer besseren Führungs- und Fehlerkultur erfordert zunächst eine Verhaltensänderung, basierend auf einer psychologisch sicheren Arbeitsatmosphäre.
Wir jedoch versuchen im Change meist die Strukturen, sprich die Organisation zu verändern. Das lässt sich ja prima in Excel und anderen Plan- oder Projektboards abbilden. Auf das Verhalten der Menschen in diesem Prozess, insbesondere der Führungskräfte, gehen wir gar nicht, oder nur am Rande ein.
Das Fundament der psychologischen Sicherheit (Blog-Artikel) fehlt gänzlich.
Die Organisation folgt im erfolgreichen Veränderungsprozess dem Verhalten, nicht umgekehrt.


Die von Reason beschrieben 8 Phasen eines Change-Prozesses


Phase 1 : Alles ist gut
Niemand sieht die Notwendigkeit einer Veränderung. Alle Manager sind zufrieden mit den Status quo. Sie glauben, sie haben KEIN Qualitäts- und Führungsproblem. Sie sind zufrieden mit der Art und Weise, wie sie ihre Effizienz steigern und Kosten einsparen.

Phase 2: Es muss sich etwas ändern. Wir wissen nicht, was
Die Manager erkennen die Notwendigkeit für Veränderungen, wissen aber nicht, in welche Richtung das gehen soll. Alle bisherigen Versuche sind fehlgeschlagen, die Öffentlichkeit hat sie dafür scharf kritisiert. Die bisherigen Qualitäts- und Führungsmaßstäbe erkennen sie als unzureichend, die Unzulänglichkeiten in der Fehler- und Führungskultur verstehen sie jedoch nicht oder ignorieren sie.

Phase 3: Wir wissen, was. Wir wissen nicht, wie
Das Management weiß, was es verändern muss, weiß aber nicht mit welchen Mitteln das geschehen soll. Sie erkennen, dass die bisherigen Maßstäbe ihrer Fehler- und Führungskultur nicht mehr angemessen sind. Sie wissen jedoch nicht, wie sie diese Kultur verändern können.

Phase 4: Wir wissen, wie. Wir glauben nicht, dass wir es schaffen
Das Management hat das Know-how für die notwendigen Veränderungen der Fehler- und Führungskultur erworben, zweifelt jedoch, ob das Unternehmen dafür bereit ist. Die laufenden Projekte übersteigen schon jetzt ihr Budget. Das Unternehmen hat Personalengpässe und Projekte, die im Moment wichtiger sind. Man verschiebt die Veränderungsvorhaben auf später.

Phase 5 : Nur kosmetische Veränderungen
Man fängt an, notwendige Veränderungsprozesse einzuleiten, jedoch nur in kosmetischer Form. Man sucht Abkürzungen auf dem Weg zum Ziel. Der Prozess wird weder verfolgt, noch auf seine Wirkung überprüft.

Phase 6: Änderungen zeigen keinen Erfolg
Man setzt Veränderungen um, stellt aber fest, dass sie keinen Vorteil erzeugen. Das Modell der veränderten Kultur passt nicht zur realen Welt.

Phase 7: Erfolg zu kurzfristig
Die Veränderung fängt an Früchte zu tragen, taugt jedoch nicht für die zukünftigen Herausforderungen. Das Modell ist nicht flexibel genug für unvorhergesehene und störende Ereignisse im Markt.

Phase 8: Erfolgreiche nachhaltige Umsetzung
Die Veränderung der Arbeits- und Führungskultur ist erfolgreich gelungen und stabil etabliert. Die neue Unternehmenskultur hält Schritt mit den sich schnell verändernden Anforderungen im Markt. Sie bringt dem Unternehmen kontinuierlich Vorteile in Effizienz, Qualität und Wettbewerb. Die Mitarbeiter haben attraktive Perspektiven und eine hohe Motivation.

Reason fand weiter heraus, dass jedes Unternehmen oder Organisation alle diese Phasen durchmacht und, dass nur die letzten beiden (7+8) wirklich sicht- und messbaren Erfolg bringen.

Die meisten Unternehmen brechen bereits bei Phase 3 oder 4 ab und beginnen irgendwann von vorne –  um wieder dort zu enden. Welchen Schaden und Frust das für Unternehmen und Mitarbeiter auslöst, können Sie sich vorstellen. Wir erleben es jeden Tag in der Praxis.


Hier noch einmal das erwähnte Buch:

Reason, J. (2013) A Life in Error - From Little Slips to Big Disasters, Ashgate, Farnham, England, Burlington, USA.

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