Donnerstag, 27. Januar 2022

Attribution Error lässt Barriere brechen – fatale Fehlerkette nimmt ihren Lauf

Vor etwas mehr als 50 Jahren ereignete sich in Hamburg ein Flugzeugabsturz, der heute vielen der älteren Generation noch in Erinnerung ist und der im Führungs- und Arbeitsmodellmodell Crew-Resource-Management (unsere Basis der Lernenden Organisation) so nicht mehr passieren kann. Er ist ein Musterbeispiel vermeidbaren menschlichen Versagens aufgrund gebrochener Barrieren in einer Fehlerkette, die lange vor dem Unfall ihren Anfang hatte.

Am 6. September 1971 muss eine vollbesetzte Chartermaschine der in München ansässigen Fluggesellschaft Paninternational mit 121 Menschen an Bord unmittelbar nach dem Start auf der Autobahn A7 notlanden.  Sie erreicht gerade noch die Autobahn (die neue Fahrspur nach Norden war noch nicht für den Verkehr geöffnet), doch wenige Meter nach dem Aufsetzen zerschellt die Maschine an einem Brückenpfeiler und zerbricht in zwei Teile. 

22 Menschen sterben.


Co-Pilotin Elisabeth Friske hätte die entscheidende Barriere sein können, die diese fatal endende Fehlerkette hätte aufhalten können.

Sie sollte die Kanister mit dem Wasser für den Wet-Start (Triebwerkskühlung) checken, hat das aber aus Zeitmangel nicht gemacht.

Dem Hinweis eines Mitarbeiters vom Bodenpersonal beim öffnen eines der vermeintlichen Wasserkanister, es stinke merkwürdig stark nach Kerosin, entgegnete sie mit der lapidaren Bemerkung „Stinkt hier nicht alles nach Kerosin?“.

Diesen Hinweis ernst zu nehmen, hätte genügt, die Katastrophe abzuwenden.

Die unbestritten fliegerische Meisterleistung von Flugkapitän Reinhold Hüls rettete wenigstens 99 Menschen das Leben. Nie wieder danach ist es je einem Piloten gelungen, das Manöver im Simulator nachzufliegen. Alle verfehlen die Autobahn und zerschellen am Boden.

Piloten hatten vor der Einführung des Crew-Resource-Management in der Luftfahrt die „Helden“-Einstellung zu ihrer Tätigkeit. Sie fühlten sich Mitarbeitern ohne Streifen auf der Schulter überlegen. Das begünstigte den gefährlichen „Attribution-Error“. Er entsteht dadurch, dass ein Vorurteil oder das Gefühl der Überlegenheit gegenüber dem Sender dieses emotionale Attribut in den Mittelpunkt der Bewertung einer Nachricht stellt, nicht deren Inhalt.

Ein Fehler, der mir im Unternehmensalltag, vor allem bei höheren Führungskräften sehr oft begegnet.

Gepaart mit dem Bestätigungsfehler der Co-Pilotin, in Wasserkanistern kann nur Wasser sein, und dem Plan-Continuation-Error, wir müssen pünktlich starten, war die Nachlässigkeit eines Wartungstechnikers beim Abfüllen von Kerosin in dafür nicht vorgesehene Kanister in Düsseldorf zu einer tödlichen Falle für 22 Menschen geworden.

Vor Gericht wurden nur die zwei Wartungstechniker zu Haftstrafen verurteilt. Elisabeth Friske flog weiter.

1987 starb sie als Co-Pilotin beim Absturz des damaligen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel an Bord eines Business-Jets beim Anflug auf Lübeck-Blankensee. Beide Piloten hatten eine Landung trotz ungeeigneter technischer und Ausbildungsvoraussetzungen nachts bei dichtem Nebel riskiert und streiften dabei den Sendemast eines Funkfeuers vor der Landebahn, weil sie viel zu tief anflogen.

Nur Uwe Barschel überlebte dieses Unglück schwer verletzt in dieser Mainacht 1987. Beide Piloten und der Sicherheits-Mitarbeiter starben in den Flammen.

Unternehmen kostet diese sehr häufige Form der Fehlerkombination zwar nur selten Menschenleben, vernichtet jedoch viel Geld, Innovation, Effizienz und Mitarbeiterzufriedenheit.

Sonntag, 2. Januar 2022

Let it burn – erfolgreiches Krisenmanagement folgt klaren Regeln

In plötzlichen Krisen folgen wir unserem Unterbewusstsein. Und das wird schon aus Urzeiten von Aktivismus getrieben. Dabei fokussieren wir die (vermeintlich) größte Gefahr und widmen ihr unsere ganze Aufmerksamkeit. Was zu Zeiten des Säbelzahntigers noch ganz gut funktionierte, ist in komplexen Störfällen der heutigen Welt vollkommen untauglich.

Folge ich hier dem Bauchgefühl ist das meist der sichere Weg in eine fatale Fehlerkette.

James Reason, Daniel Kahnemann (Link zu unserer aktuellen Literaturliste) und Richard Taylor sind eine prominente Auswahl der Fehler- und Verhaltensforscher, die das Phänomen „Entscheiden“ seit Jahrzehnten genauer untersuchen und auch der Luftfahrt ab Anfang der 1980er Jahre Wege gezeigt haben, dass bis dahin dort tödliche Verhaltensmuster der Bauchentscheidung zu durchbrechen.

Neben dem Wissen darüber muss ich die Fähigkeit, nicht dem Bauch zu folgen, ständig trainieren. Die Fähigkeit ist flüchtig, wenn ich sie nicht ständig abrufe.

Diese Erkenntnis der modernen Verhaltensforschung hat die kommerzielle Luftfahrt in ihren regelmäßigen Trainings und Checks für Crews heute abgebildet. Jedes Crewmitglied hat die Pflicht, mehrmals jährlich diese umfänglichen Prüfungen zu absolvieren.

Sie sind fester Bestandteil des einzigartig erfolgreichen Führungs- und Arbeitsmodells der Luftfahrt, dem Crew-Resource-Management. Das wiederum ist die Basis für unseren Weg in die Lernende Organisation und ihren Regeln.


In meinem Video sehen Sie eine reale Situation, in der genau diese Regeln überlebenswichtig werden. Begleiten sie mich auf einem Flug von Innsbruck nach München, der plötzlich anders verlief als gedacht.