Es war ein schöner Sonnenuntergang an diesem klaren Abend im Februar 1994 – auf einem kurzen Flug mit 5 Passagieren von Montpellier nach Valencia.
Ich war alleine im Cockpit unserer Beechcraft King Air, und es ging entspannt zu. Barcelona Radar übergab mich im gemächlichen Sinkflug an den Kollegen in der Anflugkontrolle Valencia.
Ich freute mich auf den Abend in Valencia, wo mit milden 16 Grad die typisch sanften Winterabende am Mittelmeer eine tolle Stimmung schaffen.
Es war nicht viel los, im Funk hörte ich eine Lufthansa Boeing 737 und eine Iberia MD 80, die ebenfalls auf dem Weg nach Valencia waren. Die Anfluggeschwindigkeiten der drei Maschinen sind nicht sehr unterschiedlich.
An den Umstand, dass damals die Regionalcontroller in Südeuropa oft nur gebrochen Englisch sprachen, hatte ich mich lange gewöhnt und begrüßte den Kollegen am Boden freundlich mit ein paar spanischen Worten.
In etwa 18 Meilen Entfernung zum Flughafen sagte mir der Lotse plötzlich, ich solle den Anflug nach eigenem Ermessen auf die Landebahn 30 fortsetzen und gab mir zugleich die Landefreigabe.
Das war sehr ungewöhnlich, kein Wort zum Anflugverfahren, kein Wechsel auf die Tower-Frequenz? Schließlich war ich nach Instrumentenflugregeln im kontrollierten Luftraum unterwegs, auch wenn das Wetter prima war.
Gleiches hörte ich verwundert für die Lufthansa Boeing und die Kollegen im Iberia-Cockpit.
In meiner Maschine war seinerzeit noch kein Kollisionswarngerät (TCAS) eingebaut, so dass ich mich jetzt wirklich
unwohl fühlte.
Meine Nachfrage bei der Anflugkontrolle zu dieser
unklaren Situation wurde leicht genervt beantwortet:
do what you prefer, Sir.
Ich rief die LH und fragte nach der Position. Gleiches tat ich mit der Iberia.
Wir einigten uns schnell, dass die LH Nummer 1, ich Nummer 2 und die Iberia Nummer 3 zur Landung sein und wir engen Kontakt über den aktuellen Standort halten werden.
Es herrschten gute Sichtflugbedingungen und alles verlief glatt.
Am Gate fragte ich dann nach, was denn das für eine Praxis sei, die ich da erlebt hatte.
Der nette Mann im Dispatch zuckte nur mit den Schultern und wünschte mir einen schönen Abend. Auf eine Meldung verzichtete ich. Die wäre damals sicher noch in der nationalen Bürokratie untergegangen.
Der erste Offizier der LH, den ich im Terminal noch kurz traf, sagte mit einem Stirnrunzeln:
nicht ärgern, nur wundern. Er bedankte sich nochmal für die gute Kooperation.
Den schönen Abend hatte ich dann doch noch ;)
Regeln nützen nur etwas, wenn sie
eingehalten werden – von
jedem Beteiligten im Prozess.
Auch ein freundlich Laissez-faire „mach wie Du möchtest“ ist in definierten Prozessen meist
gefährlich und hinderlich.
Ich erlebe so etwas auch bei überforderten, unerfahrenen oder innerlich bereits gekündigten
Führungskräften in Unternehmen.
In Prozessen, mit
klaren Regeln und notwendig
klarer Kommunikation ist so ein Verhalten „nett sein“ an falscher Stelle. Es führt günstigstenfalls zur Verwirrung, schlimmstenfalls zu einer
fatalen Fehlerkette!