Freitag, 26. August 2016

Wer bin ich? – Die Sache mit dem Selbstbild

Was hat dieses Thema mit „Führen – Kommunizieren – entscheiden“ zu tun?
Viel! Und da liegt auch schon die Herausforderung (oder soll ich lieber sagen: das Problem?).





Ich komme auf eine brisante aber bekannte UND erwünschte Tatsache in der Luftfahrt zu sprechen. Wenn Sie das an Ihrem Arbeitsplatz erleben würden, würden Sie mindestens Amnesty International alarmieren – vom Compliance GAU im Unternehmen ganz zu schweigen.
Diese Tatsache ist die lückenlose Aufzeichnung von allem, was Sie tun und sagen.
Genau diese Kontrolle hat aber den Erfolg des Crew-Resource-Management (CRM) in der Verkehrsluftfahrt ermöglicht.

Mit andern Worten:
 sie hat die sicheren und trotzdem erschwinglichen Flugreisen, wie wir sie heute kennen, erst ermöglicht.
Bei uns wird Kontrolle sofort mit der Einschränkung der persönlichen Freiheit gleichgesetzt.
Dass Kontrolle aber auch das Gegenteil bewirken kann, dass sie die Freiheit erhalten und darüber hinaus Erfolg und Freude an der Arbeit steigern kann, das beweist das Cockpit eines Verkehrsflugzeuges.

Kontrolle für sich alleine ist nicht viel wert. Sie gehört in einen Kontext von Erkenntnisgewinn, bestrafungsfreier Fehlerkultur, Kommunikationsregeln und positiven Hierarchien.
Mit ihr sollten Regeln geschaffen und stets weiterentwickelt werden, die Stress vermeiden, Fehler managen und helfen, Entscheidungen unter hohem Druck zu treffen.

So kommt es, dass Flugzeugbesatzungen ein System positiv aufnehmen, das sie zu 100 % kontrolliert.

Der Voice- und Flight-Data-Recorder zeichnet für einen Zeitraum von mindestens 30 Minuten lückenlos auf, was im Cockpit gesprochen wurde, welche Handgriffe im Flugzeug gemacht wurden und von wem.
Nur so war es überhaupt möglich, aus Flugzeugunglücken wirklich zu lernen und das CRM zu einer beispiellosen Erfolgsgeschichte werden zu lassen.
Weder die Beobachtung von Zeugen, noch die Berichte von Betroffenen sind dazu in der Lage, Ursachen einer Fehlerkette objektiv aufzuklären und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Es gehört zu den Schwächen des Menschen, egal in welcher Position und mit welcher Erfahrung, dass er völlig einseitig wahrnimmt und wiedergibt.

Genau daraus resultieren erhebliche Defizite in der Menschenführung.
Wer hilft einer Führungskraft bei der Einschätzung ihres eigenen Handelns?
 Wer trainiert die erkannten Defizite weg und macht daraus positive Verhaltensmuster?
Normalerweise niemand!
Eine Führungskraft wird mit zunehmendem Aufstieg einsamer. Von unten kommt keine Kritik aus Angst vor Nachteilen.
 Von oben wird mit Floskeln keine wohlwollende Hilfe gegeben.

Ganz krass erlebe und höre ich das immer wieder bei Budgetverhandlungen innerhalb eines Unternehmens.

Die Rituale sind oft vernichtend und verhindern eine richtige und klare Einschätzung der Situation.
 Es endet nicht selten mit dem Satz „da ist noch Luft nach oben“, ohne auch nur den Ansatz einer Begründung.
Es ist Business-Theater vom Feinsten und zeigt nicht selten humoreske Züge!

Man hat im (Simulator)Cockpit folgendes Experiment gemacht:


Eine erfahrene Crew wurde verschiedenen Situationen mit erheblichem Stresspotential ausgesetzt.
Es ging dabei nur um die Kommunikation untereinander und die dabei vereinbarten Regeln nach den Maßgaben des CRM.
 Das Ganze wurde in Bild und Ton aufgezeichnet.
Hinterher wurde der Kapitän befragt, wie er die Kommunikation erlebt und empfunden hat.
„Alles bestens, hat gut geklappt, wir waren ein gutes Team“, war seine Antwort.
Auch der erste Offizier war zufrieden.
Als man ihnen dann die Aufzeichnungen vorspielte, waren sie entsetzt – entsetzt über ihre eigene Einschätzung!
Es lief alles andere als gut. Die Kommunikation war unklar, oft einsilbig, man arbeitete nebeneinander her und nicht miteinander und es war eine gute Portion Glück, dass das Flugzeug nicht verunfallte.
Diese Art Erfahrungen waren der Anlass, dass Cockpitcrews von Verkehrsflugzeugen heute bis zu fünfmal jährlich in Simulatorchecks müssen, obwohl das Gesetz nur zweimal vorschreibt.

Um das noch einmal klar zu stellen: Es handelt sich hier um handverlesene, erstklassig ausgebildete Fach- und Führungskräfte.
 Sie alle kennen die theoretischen Inhalte des Crew-Resource-Managements gut und befürworten sie auch. Sie sind alle guten Willens und bereit, ihr Bestes zu geben.

Wir machen die gleichen Erfahrungen im Stress-Coaching. Viele Führungskräfte sagen mir danach, dass sie über ihr eigenes Verhalten erschrocken waren und ihnen jetzt klarer ist, warum das eine oder andere im Unternehmen unter ihrer Führung nicht so gut läuft.

Es bedarf dazu eines Regelwerkes, das sich im CRM hervorragend wiederspiegelt.
 Nur wenige Eigenschaften sind angeboren, die Sie zur Führung von Menschen befähigen.
Führen ist zum großen Teil eine Fertigkeit, die Sie sehr gut trainieren können.

Auch Sie und Ihre Arbeit können davon profitieren, der Anfang ist (Selbst)Erkenntnis und der Wille dazu, und das gilt bis ganz nach oben!

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