Donnerstag, 7. Februar 2019

Resilienzförderung – Chance und Gefahr zugleich

Resilienz in der Psychologie wird als psychische Widerstandsfähigkeit mit dem Ziel, Krisen zu bewältigen und sie durch Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen als Anlass für Entwicklungen zu nutzen, definiert.

Im Personalmanagement begegnet mir meistens diese, auf das Individuum gerichtete Variante. Die Auslegung passt in den gesellschaftlichen Trend, das „Ich“ mehr in den Mittelpunkt zu stellen. Sehr gut beschreiben das auch die Neurowissenschaftler Bonelli, Bauer und Haller in ihren aktuellen Veröffentlichungen. (Siehe unsere aktuelle Literaturliste.)

Durch die Aufwertung des „Ichs“ entwickelt sich zugleich eine Sensibilisierung für auf die Psyche wirkende, störende Einflüsse.

Auf gut Deutsch heißt das: der Mensch wird psychisch empfindlicher. 
So erklärt sich auch die in den Vordergrund rückende Wahrnehmung von Resilienz in der Psychologie.



In der Personalführung erlebe ich immer häufiger eine Interpretation, die ich für gefährlich halte, weil sie bestehende Organisationsstrukturen und Anforderungen für den Einzelnen erträglicher gestalten soll.

In der Praxis treffe ich nicht selten auf Führungskräfte, die durch eigene, gestiegene Resilienz noch mehr Druck nach unten weitergeben, weil sie eben auch selber mehr Druck bewältigen. Weder die Organisation noch das eigene Führungsverhalten wird dabei jedoch in Frage gestellt.

Die Forschung um das Crew-Resource-Management hat sich von vornherein auf die die organisatorische und verhaltensbedingte Vermeidung von Stress konzentriert und weniger auf das Managen desselben.

Die Stressforschung sagt dazu eindeutig: Stress (Überforderung) muss an den Ursachen und weniger an den Symptomen bekämpft werden, wenn nachhaltig fehlerarmes und effizientes Handeln erreicht werden soll.

Im Einzelfall kann es durchaus Sinn machen, Resilienz individuell zu fördern. Das gilt zum Beispiel für Menschen, die wegen einer falschen Interpretation der Ich-Bedeutung leiden.

Im Management halte ich Resilienz – und das deckt sich mit den Forschungen zum Crew-Resource-Management – vor allem zur Erhöhung der Stör- und Fehlersicherheit des gesamten Unternehmens für wichtig.

Dafür sind jedoch eine kritische Überprüfung und Weiterentwicklung der Organisation und der Verhaltensmuster aller Mitarbeiter nötig. Vor allem betrifft das die Multiplikatoren, sprich Führungskräfte.

Wenn ich ständig mit dem Auto gegen die Wand fahre, macht es langfristig wenig Sinn, das Auto stabiler zu bauen. Ich muss den Fahrer schulen und trainieren, nicht mehr gegen die Wand zu fahren.

Das Crew-Resource-Management der Verkehrsluftfahrt ist ein hervorragendes Praxisbeispiel, wie Resilienz-Management zu einer großen Reduzierung von Fehlern und erheblichen Steigerung von Effizienz führt – auch bei schnellen und anhaltenden Veränderungen der Umgebungsfaktoren (Digitalisierung, Kundenverhalten, interkulturelle Einflüsse, Globalisierung etc.).

Man hat hier nicht die Crews und ihre Kapitäne in tradierten Systemen widerstandsfähiger gemacht, sondern die Verhaltensmuster der Crews, vorab der Kapitäne, verändert. Dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten, fehleranfällige Strukturen so zu verbessern, dass die Verfahren nutzergerechter und damit sicherer werden.

Ein hervorragendes Beispiel dafür, die Entscheidungsfindung unter Druck mit FORDEC und das Thread And Error Management (TEM), das aus dem Fehlermanagement entstanden ist, finden Sie in meinem Blog-Artikel.

Psychologische Sicherheit in Teams und Hierarchien bereitzustellen, schafft gleichzeitig eine ausschlaggebende Voraussetzung für die Gesundheit der Mitarbeiter. Das ist der entscheidende Erfolgsfaktor im Führungs- und Arbeitsmodell Crew-Resource-Management.

Der natürliche Gegenspieler zur psychologischen Sicherheit ist die Kränkung. Dazu finden Sie hier meinen Blog-Artikel im Januar 2019.

Die deutliche Zunahme der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Erkrankungen spiegelt sich in den zunehmenden Produktionsausfallkosten wider:
Während sie 2008 noch bei geschätzten knapp 4 Milliarden Euro lagen, sind die Produktionsausfallkosten bis 2014 auf 8,3 Milliarden Euro gestiegen.  Gleiches gilt für den Ausfall an Bruttowertschöpfung durch Krankschreibungen aufgrund psychischer Erkrankungen, hier gab es im selben Zeitraum eine Zunahme von mehr als 6 Milliarden Euro von rund 7 auf 13,1 Milliarden Euro. (Bundesministerium für Arbeit und Soziales und Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2014, S. 44)

Fazit:


Mit dem Crew-Resource-Management vermitteln und trainieren wir sehr fehlerarme und effiziente Verhaltensmuster, Strukturen und Arbeitsweisen. Das fördert intensiv, nachhaltig und praxisgerecht die Resilienz des gesamten Unternehmens, ohne dabei die Resilienz des Einzelnen über das gesunde Maß hinaus zu strapazieren. Die Luftfahrtbranche stellt das jeden Tag unter Beweis. Der Transfer in jede andere Organisation ist uneingeschränkt möglich.

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