Mittwoch, 16. Mai 2018

Die IT – und der Rest der Welt

Eines der größten Spannungsfelder, die ich in meiner Tätigkeit erlebe, liegt zwischen IT und den restlichen Abteilungen im Unternehmen. Das betrifft nahezu jede Branche.
Die Spannung nimmt mitunter dramatische Ausmaße an, die sogar eine Auslagerung der IT ins Gespräch bringen, womit viele Arbeitsplätze verloren gehen würden.
Bisher konnte ich den Entscheidern immer genug Argumente liefern, die diesen Schritt verhindert haben. Denn: Er löst das Grundproblem dieser Spannungen nicht.

Wie im Crew-Resource-Management (CRM) bestimmen auch hier zwei Elemente über Gelingen oder Nicht-Gelingen:


  • Kommunikation
  • Entscheidungsfindung

Der Grundstein für eine nicht funktionierende Kommunikation wird oft schon innerhalb der Führungsstruktur der IT gelegt. Ihre Führungskräfte sind ausgewählt und aufgestiegen, weil sie fachlich herausragend waren.
Mit der Führung von Menschen sind sie nicht selten überfordert.
So kommt es schon innerhalb der IT durch Kommunikations-Probleme zu Stress, der „nebenbei“ noch die Fehlerquote erhöht.

Der größte Kommunikationsbruch entsteht im Austausch mit den anderen Abteilungen.
Der Sender versteht den Empfänger nicht, man kommuniziert in verschiedenen Sprach- und Denkwelten.
Die Kommunikationswissenschaft weiß seit Langem: Sendet der Sender nicht auf Empfängerebene, verhallen die Signale unverstanden im Raum.



Es sind meistens die Führungskräfte auf beiden Seiten – der IT und der jeweils betroffenen Abteilung oder Geschäftsleitung – , die die notwendige Empfängersprache nicht „gelernt“ haben.
Die daraus resultierenden Missverständnisse führen zu Konflikten und falschen Entscheidungen. Eskalierender Stress und Misserfolg sind vorprogrammiert.

Das ist aus meiner Erfahrung auch der Hauptgrund, weshalb sich Unternehmen jeder Größenordnung mit der sogenannten Digitalisierung schwertun. Der Übergang von der Geschäftsidee oder Vision zur technischen Umsetzung scheitert auf vielen Ebenen.
Die Signale aller Beteiligten können nicht nutzbringend ausgetauscht werden, weil jede Seite in ihrem Gedankenraum bleibt. Sie kennt den Stuhl der anderen Seite nicht und weiß auch nicht, wie es sich dort sitzt.
Dieses Silodenken erlaubt daher nur einen sehr langsamen Fortschritt, mit viel Kollateralschaden.
Größere Unternehmen suchen den Ausweg in einem Chief Digital Officer oder Ähnlichem.

Nicht selten steigert er das Problem noch, da auch er meistens auf Grund seiner fachlichen Qualifikation ausgewählt wurde. Die Silos bleiben verschlossen.

Wie sieht eine praktische Lösung für dieses gravierende Problem aus?


Ideal sind sicher Führungskräfte, die genau auf dieser Kommunikationsbrücke zuhause sind.
Sie sind fachlich und gedanklich in beiden Welten präsent: In ihrer eigenen und der ihres Gegenübers.
Doch diese Aussage hat die gleiche praktische Qualität wie der Wunsch, dass Krebs endgültig besiegt sein sollte.
Mit Idealen fängt man nicht an, sie sind das Ende eines zeitlich nicht immer vorhersehbaren Weges, der zudem einige unbekannte Terrains zu bewältigen hat.

Als Trainer, Manager und Mediator suche ich in der Analyse der Baustellen zunächst die verfügbaren Ressourcen. Sie sind oft gar nicht so schlecht oder rar, wie es mir anfangs geschildert wird.
Danach kommen Grundsatzgespräche mit Vorstand und Geschäftsführung.

Stellen sie die nötigen Ressourcen (personell, finanziell, zeitlich ...) nicht klar zur Verfügung, muss ich leider passen.

Erst dann geht es in die Teamfindung.
Teams darf man nicht zusammenzwingen.
Diese Erkenntnis ist Stand der modernen Forschung rund um das „Teaming“ für solche Projekte.

Die Teams müssen die Vision verstehen und für erstrebenswert halten. Dafür sind die Teamleader verantwortlich.
Dann geht es an die Detailarbeit.
Der operative Weg wird begonnen, Unter-Ziele werden gesucht, die wiederum jedes Teammitglied als wichtig und richtig erkennt. Das ist enorm relevant, sonst funktioniert das Team nicht!


Hier empfehle ich gerne das aktuelle Buch der renommierten Teamforscherin Amy C. Edmondson „Extreme Teaming“. Sie zeigt das Modell auf, das sie bei erfolgreichen Projekten dieser Art herausgefiltert hat.

Meine Aufgaben in solchen Projekten sind klar:

Herbeiführen und Bewahren der wichtigsten Voraussetzung überhaupt:
Der psychologischen Sicherheit aller Beteiligten.

Ferner:
Konflikte beseitigen; wo nötig, „Übersetzer“ in die Empfängersprache sein und Entscheidungen an den Stellen herbeiführen, wo Entscheidungen getroffen werden müssen.

Die Teams brauchen Führung und die stelle ich immer wieder sicher.

Teams müssen dann und wann fachübergreifend miteinander arbeiten, um neue Ideen oder Lösungsmöglichkeiten zu bekommen. Diese Momente erkenne ich und „stupse“ die Teamleader an, wenn nötig.
Dabei hilft mir die Lehr- und Arbeitsmethodik des Crew-Resource-Managements (CRM) sehr. Darin sind fast alle nötigen Regeln und Verhaltensmuster definiert.
Die Luftfahrt hat nämlich genau diese Herausforderung immer wieder zu meistern, und muss dafür ständig im Lern- und Trainingsprozess bleiben.
Richtig deutlich wurde die Aufgabe mit der Einführung digitaler Cockpits und der konsequenten Reduzierung auf 2-Mann-Cockpits.

Mit dem CRM ist das in allen operativen Bereichen bisher glänzend gelungen. Die Luftfahrt ist der fehlerärmste und sicherste Arbeitsplatz der Welt!
Mit dieser Vorgehensweise werden aus Visionen neue Dienstleistungen oder Produkte, und aus langsamen, sich oft im eigenen Saft drehenden Prozessen, schnell lernende schlanke Organisationsformen.

Ich gehe sogar noch weiter: Auf diese Art gewinnen Sie zukunftsweisende Ideen, wo Ihnen Visionen im Unternehmen bisher fehlen. Das entscheidet wesentlich über Ihren Fortschritt und Ihre Wettbewerbsfähigkeit.

Nein, Sie sollten nicht zum Arzt gehen, wenn Sie Visionen haben. Diese Ansicht hat ihre fragwürdige Gültigkeit verloren.
Was Sie jedoch brauchen sind die richtigen Voraussetzungen, das heißt, klare Führungs- und Arbeitsmodelle.

2 Kommentare:

  1. Auslagerung von IT (-Prozessen) geschieht aber in erster Linie aus Kostengründen und resultiert nicht aus der „Kommunikationsbarriere“ zwischen IT und Anwendern.

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    1. Vielen Dank für Ihre Anmerkung.
      Da habe ich jedoch andere Erfahrungen gemacht, vor allem, wenn man den Problemen wirklich auf den Grund geht. Die Kostengründe entstehen oft genau in der Kommunikation zwischen IT und Anwender. Das bestätigt mir oft auch die C-Ebene der Unternehmen.

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