Dienstag, 3. Oktober 2017

Führen aus der Vorgesetztenperspektive - es fehlt der Spiegel

Wie beurteilen Sie die Perspektive der Ihnen hierarchisch/disziplinar unterstellten Menschen?

Dieses Szenario ist schwer zu simulieren, schon gar nicht in der Wohlfühl-Kunst-Atmosphäre eines Seminarraumes.
Kennen Sie dabei das Problem, dass der Empfänger Ihrer Nachricht (Mitarbeiter) oft nicht das versteht, was Sie als Sender vermitteln möchten?
Kommunizieren auf unterschiedlichen Ebenen ist eine der Hauptherausforderungen zwischen Chef und Mitarbeiter.

Testen Sie das mal und erfahren Sie die Sicht des Empfängers unter erheblichem Stress (steht der Mitarbeiter häufig auch, wenn er mit dem Chef spricht).
Sie lernen in den Elementen „Kommunikation“ und „Führen“ des Crew-Resource-Managements (CRM) bei uns im Cockpit Regeln und Methoden kennen, die das klassische Sender-Empfänger Problem minimieren und zuverlässiges, gegenseitiges Vertrauen auch unter Druck aufrechterhalten.

Ich nutze diese Kommunikations- und Führungsregeln auch in Flugangstcoachings, wie Sie im folgenden Video sehen.
Die Teilnehmer verlieren ihre Flugangst, weil sie im Laufe des Coachings durch eigenes, erfolgreiches Handeln den Kontrollverlust aufgeben. Dabei fangen sie an, das Flugzeug zu verstehen und ihm zu vertrauen.
Das gelingt nur mit Kommunikation auf Empfängerebene und Führen mit den drei unbedingten Voraussetzungen: Fachkompetenz, Vertrauen und Wohlwollen.
Diese drei Elemente hat die CRM-Forschung als Kernbedingungen für eine positive Hierarchie in einem erfolgreichen Team definiert.
Nur damit gelingen die Anforderungen an alle anderen Elemente des CRM


Im Clip sehen Sie:
die Teilnehmerin fliegt, ich moderiere auf ihrer Ebene. In aller Ruhe konzentrieren wir uns gemeinsam auf das Gelingen der enorm schwierigen Landung in Hongkong Kai Tak,  jeder in seiner Rolle.
Diese Aufnahme entstand nach 3 Stunden aufbauendem Training im Cockpit mit langsam, für die Teilnehmerin fast unmerklich wachsenden Ansprüchen an die Aufgaben des Flugzeugführers.
Jede professionelle Crew würde viele Verfahrensfehler entdecken. Aus der Sicht des Profis (Sender) stimmt das, aus der Sicht der Teilnehmerin (Empfänger) nicht. Das Ziel, die Maschine sicher auf die Piste zu bekommen, haben wir trotzdem immer erreicht. Dabei spielt in dieser Konstellation die Perfektion und Verfahrensredundanz keine Rolle, sondern nur das Gelingen der Landung selbst – der Empfänger definiert den Weg, das Ziel zu erreichen.
Der Sender, in dem Fall ich auf dem rechten Sitz, ebnet diesen Weg ohne seine eigene Welt aufzuzwingen. Es hätte auch keinen Erfolg.
Für das Erlernen einer Moderationsform in der Führungsrolle mit „Nicht-Piloten“ im Cockpit brauchte ich als erfahrener Flugkapitän ein Jahr hartes Training.
Die Herausforderung dabei ist nicht nur die fliegerisch-fachliche Seite (häufige Grenzzustände des Flugzeugs), sondern den Weg der CRM-Regeln in Kommunikation, Führen, Entscheiden und Stressmanagement mit unterschiedlichen, mir vorher nicht bekannten Teilnehmern (Empfängern), möglichst optimal einzuhalten und vorzuleben.
Auch ich mache mal Fehler. Das darf den Teilnehmer aber nicht verunsichern.
Seinen Weg darf ich als Moderator und Trainer nicht verlassen, egal was kommt.



Oft stellen mir meine Kunden am Anfang die Frage, wie oft denn die Maschine bei den Übungen abstürzt. Meine Antwort ist: nie!
Ich halte den Simulator auch nicht an.
Fehler auf dem eigenen Weg des Empfängers dürfen nicht in einer Fehlerkette mit fatalem Ausgang enden. Dieses Gelingen (das Flugzeug/Firma bleibt heile) unter teils extremen Bedingungen ist Teil der Botschaft und der herausragende Erfolg des Führungs- und Arbeitsmodells Crew-Resource-Management.

Eine weitere Pflicht habe ich mir auferlegt: ich greife selbst nicht in die Rollen der Teilnehmer ein. Nur so festige ich die Rollenstabilität meiner Managercrew im Cockpit.
Stetes Vorbild und Wohlwollen schaffen Stabilität und Vertrauen, das kann nicht hoch genug bewertet werden – auch eine wissenschaftliche Erkenntnis der Leadership-Forschung im Crew-Resource-Management.

Sie können sich vorstellen, dass das im Cockpit-Training oft ganz schön spannend wird und zu vielen „Aha-Effekten“ führt.

Donnerstag, 28. September 2017

... und dann landeten sie beim Menschen

In meinen Seminaren und Vorträgen wird mir immer wieder eine Frage gestellt:

Warum hat gerade die gewerbliche Luftfahrt es geschafft, mehr als 1000-mal fehlerärmer zu arbeiten als jedes andere von Menschen beeinflussbare System auf der Welt?

Eine gute Frage! Kennen Sie die Antwort?



Obwohl ich schon seit 1980 aktiv fliege und in meiner Ausbildung zum Berufspiloten schon den Vorläufer des Crew-Resource-Management (CRM) verinnerlichte, habe ich nie wirklich intensiv darüber nachgedacht.

Erst nach der Idee vor fast 4 Jahren, auch Nicht-Piloten in das hoch komplexe Cockpit eines Verkehrsflugzeuges zu setzen um dort die wesentlichen Erkenntnisse des CRM zu visualisieren und für den Seminar-Teilnehmer zu einer fürs (Berufs)Leben einprägsamen und unvergesslichen Erfahrung zu machen, fing ich an, über diese eigentlich simple Frage nachzudenken.

Mein erster Gedanke war:

Eigentlich müssten ja Raumfahrt und die Medizin genauso fehlerarm arbeiten.
Zum einen geht es auch um Menschenleben und zum anderen stecken in beiden „Branchen“ enorme Forschungs- und Entwicklungsgelder.
So gehen die Realisierungskosten für ein Space Shuttle weit über die eines Verkehrsflugzeuges hinaus.
Doch diese Annahme ist falsch.
In der Raumfahrt beträgt die einkalkulierte Verlustquote 4% und in der Medizin liegt die fatale Fehlerquote bei 0,1%.
Eine Airline fliegt heute jedoch mit einer Verlustquote von unter 0,000001%, Tendenz immer besser werdend.

Die Antworten fand ich dann in der Literatur und Wissenschaft über die Entstehung des CRM, die meine Generation Pilot in den 90ern „on the job“ miterlebt hat.
Noch gut erinnere ich mich an fatale Unfälle renommierter Airlines in den 70ern, wie der Lufthansa Unfall in Nairobi oder Paninternational in Hamburg mit der spektakulären Bruchlandung auf der A7 bei Hasloh.

Dabei schien alles so perfekt in der Entwicklung der Luftfahrt. Endlich gewannen die Flugzeuge mit der Einführung des Turbinentriebwerkes eine nie da gewesene Zuverlässigkeit im Antrieb.
Die Navigation wurde bei „Sicht Null“ bis zur automatischen Landung möglich und die Redundanz der technischen Flugzeugkomponenten war bereits Ende der 80er nahezu ausgereift.

Und trotzdem: Die Zahl der fatalen Unfälle in der Verkehrsluftfahrt nahm nicht ab!

Seit Anfang der 60er Jahre war jedes Verkehrsflugzeug mit einem Flugdatenschreiber und einem Stimmenrekorder im Cockpit ausgestattet. So ist es möglich und auch konsequent realisiert, jeden Unfall eines Airliners bis zur endgültigen Aufklärung zu analysieren.
Zigtausende Daten werden haarklein, oft monatelang immer wieder hin und her bewegt und die Unfallermittler fanden für jedes Flugzeugunglück in der gewerblichen Luftfahrt einen oder mehrere finale Gründe.
Man verbesserte immer wieder die Technik, die Checklisten, die Ausbildung der einzelnen Flugzeugführer, die Anforderungen an die Auswahlkriterien der Piloten und die Vorschriften zum Betrieb der Flugzeuge.

Und trotzdem: Die Zahl der fatalen Unfälle nahm nicht wesentlich ab!

Anfang der 1990er boomte die Luftfahrt mit Einführung der billigen Tickets dann so richtig und die Unfallquote stieg bei einigen Airlines sogar wieder an.

Ganz schnell hatte man die „Schuldigen“erkannt:
Die Einführung des Zwei-Mann Cockpits war es, so die Gewerkschaften und andere Lobbyisten.
Die Cockpit-Crew ist schlichtweg überlastet, so die „Experten“.
Dann die vermeintlich schlechte Wartung durch den hohen Kostendruck bei den aufkommenden Billigairlines, so andere Experten und die Medien.
Beschäftigte man sich aber mit den Unfällen, so kamen Ursachen zu Tage, die so gar nicht in das Beuteschema der „Experten“ passten.
Es waren oft sehr namhafte US Carrier oder europäische Traditions-Airlines, die betroffen waren.
American Airlines, United, Lufthansa, Swiss Air, Cross Air, Lauda Air, Korean Airlines und so weiter.
Gerade bei Korean, der Staats-Airline eines an sich wohlhabenden Industrielandes häuften sich derart die Unglücke, mit vielen hunderten Toten, dass die Gesellschaft drohte, auf den Index der „Never come back“ Fluggesellschaften zu geraten. Der wirtschaftliche und Image Schaden waren immens!
Analysierte man die Ursachen, die zum Verlust eines Flugzeuges geführt haben, ging nicht selten ein Kopfschütteln durch die Reihen der Unfall-Untersuchungs-Kommissionen.
Wie konnte es einem der erfahrensten Crews der Lufthansa passieren, zum Starten die Vorflügel zu vergessen auszufahren (Absturz einer LH 540 in Nairobi 1974)? Das ist die Kategorie Anfängerfehler.
Warum flog eine mit drei hocherfahrenen Crewmitgliedern besetzte DC 8 der United das Flugzeug sehenden Auges leer und landete kurz vor Portland Bruch in einer Vorort Siedlung?
Wieso landet eine 3-Mann Crew mit zwei erfahrenen Flugkapitänen im Cockpit einen Lufthansa-Airbus in Warschau viel zu schnell bei nasser Piste und kracht in die Böschung hinter dem Airport?
Das sind nur drei Beispiele einer langen Liste, die weder etwas mit technischem Versagen, Wetter, schlechter Ausbildung, Kostendruck oder nur zwei Mann im Cockpit zu tun haben.
Ganz im Gegenteil: Man stellte fest, dass gerade mit 3 oder 4 Mann (Frau) besetzte Cockpits wegen banaler Fehler das Flugzeug verloren.

Und jetzt komme ich zur Erklärung, warum gerade in der zivilen Luftfahrt ein komplettes Umdenken im Betrachten des Themas Sicherheit eingesetzt hat.
Der Wettbewerb der Fluggesellschaften nahm Anfang der 90er derart zu, dass eine Gesellschaft mit mehr als einem schweren Unfall in kurzer Zeit oft an den Rand des Ruins getrieben wurde.

Ein Flugzeugabsturz geht durch alle Medien, beklagt häufig viele Tote an Bord und am Boden und trägt das Leid nicht selten in hunderte Familien zugleich.
Fliegen gehört ab den 90ern zum Alltag der Menschen, auch der nicht so betuchten.
Dieses „Problem“ hat z. B. die Raumfahrt nicht. Sie gilt immer schon als sehr riskant und beklagt bei spektakulären Unfällen immer nur wenige Opfer.
Auch die Medizin hat dieses Problem (bis heute) nicht. Stirbt ein Patient oder trägt erheblichen Schaden davon, so kommt das meist gar nicht an die Öffentlichkeit. Der oder die betroffenen Ärzte mach einfach weiter und oft kommen die wahren Ursachen des „Kunstfehlers“ gar nicht raus.
Nicht so in der Verkehrsfliegerei. Alles wird ständig penibel untersucht und aufgezeichnet und – anders als im Krankenhaus – überleben oft die Verursacher des Unglücks, nämlich die Piloten, ihren Fehler auch nicht.
Das Thema Öffentlichkeit hatten wir eben schon.

Fazit:

Man musste der Sache Herr werden und an Stellen für die Ursachen suchen, die bisher nicht, oder nur rudimentär untersucht wurden.
Und so kamen Wissenschaftler zum so unliebsamen, unbequemen, nicht richtig fassbaren, nicht durch technische Eingriffe beeinflussbaren, in der Weiterentwicklung doch so langsamen und antiquierten Faktor: den Menschen.
Und ob das nicht schon schlimm und unpopulär genug war (galt doch der Pilot bis dato als der Held der Lüfte, der Unbesiegbare, der Übermensch, der Unerreichbare…), es kam noch schlimmer.
Nicht der einzelne Mensch schien das Problem allen Übels zu sein, nein, es war das Miteinander der Menschen, die ein Flugzeug bedienen und führen.
Es war totales Teamversagen.

Und es kam noch schlimmer.
Nicht nur die Cockpitbesatzung schien die Ursache allen Übels zu sein, die Kabinencrew gehörte wohl auch dazu.
Geht ja wohl gar nicht! Was hat denn ein/eine "Saft-Schubse(r)" dahinten schon für eine Verantwortung?
Oh je, das schöne Heldenbild der blauen Uniformen mit goldenen Streifen, es drohte in Schieflage zu geraten.

Es wurde zum Kern vorgestoßen: dem in Jahrmillionen sich nur sehr langsam entwickelnden, sehr wenig Fortschritte machenden, Kriege auslösenden, Ehescheidungen provozierenden und schon in der eigenen Familie, der Nachbarschaft oder am Arbeitsplatz sehr streitliebenden, unperfekten Menschen.
Warum sollte nun gerade dieser Mensch in der hoch empfindlichen, in absolut lebensfeindlicher Umgebung operierenden Aluminiumhülle eines engen und vollgepferchten Verkehrsflugzeuges so gut funktionieren, wie es sich die Ingenieure gedacht haben?
Es waren namhafte Airlines aus den USA und Europa, die sich als erste Anfang der 1980er Jahre genau dieser Herausforderung wissenschaftlich und mit enormer Leidenschaft stellten, oft gegen den Widerstand der Helden der Lüfte in den Cockpits (der Heldenstatus wurde ja gerade begraben) und die Geburt des heute in der Welt unvergleichbar erfolgreichen Führungs- und Arbeitsmodells CRM einleiteten.

Fast alle Fluggesellschaften, Hersteller und Dienstleister der operativen Luftfahrt weltweit haben das Crew-Resource-Management Modell als Grundbaustein für Ausbildung und Betrieb übernommen. Es wird immer weiter entwickelt (6. Stufe, Stand 2017) und eine Vielzahl von Psychologen, Arbeitsmedizinern und Soziologen arbeiten jetzt Hand in Hand mit den Crews und Ingenieuren um das Fliegen noch sicherer zu machen, als es schon ist.
Ziel ist es, den ICAO-Standard von einem Totalverlust alle 50 Jahre für eine Gesellschaft, auf 100 Jahre anzuheben.
Das Restrisiko der Passagierluftfahrt kommt jetzt eher aus einer ganz anderen Richtung: dem Terrorismus oder von der kriegerischen Aktivität der zu überfliegenden Länder, also von außen.

Es ist eine bis dato beispiellose Erfolgsstory eines im ökonomischen Prozess hoch anfälligen Mensch/Mensch/Maschine Systems, die die Luftfahrt uns so transparent vorlebt.

Veränderung funktioniert – mit dem richtigen Führungs- und Arbeitsmodell.

Mittwoch, 20. September 2017

Back to the roots – eine Erkenntnis im digitalen Zeitalter

Mit Sextant, Kartendreieck, Zirkel und Fernglas habe ich noch in den 1980er Jahren auf Schiffen die Welt umfahren. Es funktionierte sicher und war nicht langsamer als heute. Diese Instrumente wurden selbst im Jet-Zeitalter anfangs noch im Langstreckenverkehr auf der DC 8 und Boeing 707 eingesetzt.

Als Navigationsoffizier benötigte ich dafür eine Menge gut abrufbares und sicheres Fachwissen. Ein „befriedigend“ reichte dafür nicht. Ferner waren Beharrlichkeit, Präzision, Pünktlichkeit und ein sehr gut funktionierendes Team in meinem Nav-Abschnitt (Abteilung) nötig.

Vermisse ich das heute an Bord eines modernen Airliners oder Schiffes?
Nein, natürlich nicht – höchstens manchmal ein bisschen aus Sentimentalität ;)

Navigation ist zum Kinderspiel geworden, dank GPS und moderner Computer.
Was ich häufig vermisse ist fundiertes Basiswissen in entsprechenden Funktionen.
Das macht Digitalisierung dann wieder gefährlicher als die gute alte analoge Welt.

Denn – Computern fehlt das, was für eine konstant fehler- und stressarme Erledigung von Aufgaben zwingend Voraussetzung ist:

  • ein funktionierendes, erfolgreiches und situationsabhängiges Teamwork
  • ständiges Situationsbewußtsein

Beides bedingt einander.

Mir und meinen Fluggästen haben meine topografischen und analogen Kenntnisse schon mehr als einmal aus einer Notlage geholfen.

Was nützten die Flug-Supercomputer, wenn Sensoren ihren Geist aufgeben und die Rechner keine oder falsche Daten von außen bekommen?
Dieses Phänomen ist 2009 der Cockpitbesatzung und den anderen 226 Menschen an Bord von
Air France Flug 447 in ihrem Airbus A330 über dem Atlantik zum Verhängnis geworden.
Es fehlten beiden jungen Piloten grundlegende Kenntnisse über Aerodynamik und Flugphysik für das Fliegen in großen Höhen.
Sie gehörten nicht mehr zum Ausbildungsprogramm, da Flugzeuge in diesen Höhen nicht mehr per Hand geflogen werden.

Seit diesem Unfall wird es wieder gelehrt und trainiert – back to the roots.

Fundiertes Fachwissen und Situationsbewußtsein kann nicht durch Computer ersetzt werden!

Im Crew-Resource-Management (CRM) erkannte man seit der „Generation Airbus“ schnell die Gefahren der Digitalisierung und nahm wichtige, neue Punkte für Team- und Führungsverhalten mit in das Training auf.

In meinen Artikeln „Digitalisierung – Fluch und Segen zugleich“ und „Der Mensch ist emotional, sentimental, irrational“ gehe ich näher darauf ein.

Der Mensch bleibt die letzte Barriere im digitalen Zeitalter um fehlerhafte Computerabläufe zu verhindern.
Es lohnt sich, ihm bei allem berechtigten digitalen Fortschritt wieder mehr Zeit und Energie zu widmen.

Die Digitalisierung ist kein technisches Problem – sie ist eine Führungs- und Organisationsherausforderung.
Sonst bleibt der tollste Computer eine dumme Maschine. Wir können das zurzeit in vielen traditionellen Branchen immer häufiger erleben.

Handeln wir, sonst spielt der Kunde König und macht so manche Firmen einfach zu.

Mittwoch, 30. August 2017

Mit dem A320 von Malaga nach Gibraltar

Mit nur 1.580m Pistenlänge und einem anspruchsvollen Sichtanflug gehört Gibraltar zu den Top 5 der schwierigsten Flughäfen weltweit.
Kein Grund in Stress zu geraten – auch ohne Copiloten nicht ;)
Geordnete Gedanken, gute Vorbereitung (Briefing), Verfahren einhalten und stets 5 Minuten vor dem Flugzeug sein, dann ist es eine sichere und entspannte Angelegenheit.

Sie wollen wissen, wie das geht und wie Sie einen Transfer des Crew-Resource-Managements (CRM) in Ihr Unternehmen gestalten können?
Kommen Sie zu uns ins CRM-Training für Führungskräfte und lernen Sie im Cockpit erheblich stress- und fehlerärmer auch in Ihrer Führungsrolle zu arbeiten.

Im Video erzähle ich auch ein wenig über die britische Kronkolonie, in der ich Ende der 1990er Jahre einige Wochen beruflich im Rahmen einer Medienproduktion gelebt habe. Ist eine Reise wert ;)

Mittwoch, 23. August 2017

Die Geschichte mit den Bauklötzen – und was die Luftfahrt daraus lernte

Vor Kurzem las ich in einem Monatsheft einen Beitrag über Fehlerkultur.
Die Autorin erzählte darin folgende Geschichte:

Stellen Sie sich ein Kleinkind vor, das fröhlich und völlig versunken einen Turm aus Bauklötzen baut. Ab und zu stürzt dieser Turm wieder ein.
Dabei bleibt das Kind heiter und gelassen und fängt jedes Mal in aller Ruhe von vorne an.
Irgendwann, nach nicht allzu langer Zeit, ist der Turm fertig und das Kind juchzt vor Freude.



Jetzt verändern wir die Situation. Neben dem Kind sitzt ein Erwachsener, der das Kind laufend darüber belehrt, welche Fehler es beim Bau macht und wie es besser geht.
Er will dem Kind ja nur helfen und seine Erfahrung vermitteln, damit das Kind schneller zum Erfolg kommt. Der Erwachsene verfolgt dabei gute Absichten.
Was passiert jetzt?
Das Kind verliert nach kurzer Zeit die Lust und fängt an zu weinen. Der Turm wird nie fertig.

Diese kurze und prägnante Geschichte sagt sehr viel über die heute oft praktizierte Fehlerkultur aus. Das betrifft häufig nicht nur Unternehmen und Organisationen, sondern auch unser Privatleben.
Wir meinen es ja nur gut.

Es sind die berühmten vier Seiten einer Nachricht, wie sie der bekannte Kommunikationswissenschaftler Schulz von Thun in seinem Nachrichten-Quadrat darstellt, die eine gut gemeinte Botschaft nicht immer gut ankommen lässt.



Durch Schuldvorwürfe und Bestrafung werden wir von Klein auf dazu erzogen, selbst gut gemeinte Hinweise auf Fehler als Vorwurf zu verstehen. Wir bauen automatisch eine Verteidigungshaltung auf, fühlen uns schuldig und werden in unserer geistigen Leistungsfähigkeit drastisch eingeschränkt. Unsere Psyche schaltet in diesen Momenten auf Alarmbetrieb.

Die eben erzählte Geschichte vom Kind mit den Bauklötzen führte in der Luftfahrt zu vielen Todesopfern.

Im Jahr 1988 kollidierte der Flug Condor-Flug 3782 bei einem Routineanflug auf Izmir mit einem Berg. Alle 16 Insassen der Maschine starben.
Flugkapitän Hechler, ein ehemaliger Starfighter-Pilot und Held der Lüfte, redete permanent auf seinen durchaus erfahrenen ersten Offizier Zöller, der auf diesem Flug „Pilot Flying“ war, ein und kritisierte seine Flugzeugführung. Seine ständige Kritik fiel teils persönlich aus.
Zöller wurde derart abgelenkt und irritiert, dass er die navigatorische Übersicht komplett einbüßte. Auch Kapitän Hechler hatte das Situationsbewußtsein durch die Missachtung wesentlicher Verfahren verloren.
Die Besatzung folgte einem falschen Landesignal und die Maschine zerschellte nahe dem Flughafen Izmir bei Dunkelheit an einem Hügel.
Erst mit dem Crew-Resource-Management (CRM) wurde derartiges Verhalten als hochriskant erkannt, analysiert und dann durch die Einführung des neuen Führungsmodells, mit einem bestrafungsfreien Fehlermanagement, wirksam verändert.

In Unternehmen, Kliniken und Organisationen kommt es immer wieder zu sehr ähnlichen Situationen. Das verursacht zwar keine Toten, aber teure, teils existenzbedrohende Fehler. Und es erzeugt viele Kollateralschäden. Weit überdurchschnittliche Krankenstände und hohe Fluktuation lassen das erkennen.
Die aktuellen Zahlen der Krankenkassen belegen: Psychische Erkrankungen liegen auf Platz 3 der Gründe für Personalausfälle durch Krankheit – Tendenz steigend.

Wir leben in einer globalen Welt mit schnellen Entwicklungs- und Entscheidungsprozessen, zunehmender Digitalisierung und damit immer wieder neu zu schaffenden Arbeitsprozessen. Da haben wir mit der heute meist noch praktizierten Fehlerkultur keine Erfolgsaussichten.
Wir sind zu langsam, zu ineffizient und machen zu viele Fehler!

Ein Fehlermanagement nach dem Vorbild des CRM gedeiht nicht in einer Führungskultur aus dem ersten Industriezeitalter. Auch dann nicht, wenn diese Kultur durch Alibipositionen, wie Feelgoodmanager etc. aufgehübscht und kaschiert wird.
Es helfen keine Papiertiger, in der Richtlinien für Compliance und Unternehmenskultur niedergeschrieben aber nicht von ganz oben bis ganz unten gelebt werden.

Der weltbekannte Usability Forscher Jakob Nielsen sagt treffend:
Höre nicht auf das was dein Kunde sagt, sondern schau was er tut.
Dieser Leitsatz, ursprünglich aus der Mensch-Computer Beziehung geboren, ist oft auf Lippenbekenntnisse in Unternehmensfibeln und Beteuerungen im Web anzuwenden, die in Wahrheit im Unternehmen gar nicht gelebt werden.

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Quelle der Bauklotzgeschichte:

Sandherr-Klemp, D. (2017) Fehlerkultur, in Magnificat Ausgabe September 2017, Butzon & Bercker, Kevelaer.

Mittwoch, 16. August 2017

Der Mensch ist emotional, sentimental, irrational ...

… und das wird wohl immer so bleiben.
Eines ist das menschliche Gehirn jedenfalls ganz bestimmt nicht – und da sind sich alle Hirnforscher einig: digital.

Wer das bei der Digitalisierung von Prozessen und beim Führen von Mitarbeitern nicht berücksichtigt, wird erhebliche Probleme und hohe (teure) Fehlerraten bekommen.
Selbst die immer sehr gut vorbereitete Verkehrsluftfahrt hat diese Lektion schmerzlich lernen müssen, wie ich in meinem Artikel „Digitalisierung – Fluch und Segen dicht zusammen“ bereits ausführlich am Beispiel der Einführung von digitalen, hochautomatisierten Cockpits geschildert habe.



Deshalb wurden ab der dritten Stufe des Crew-Resource-Managements (CRM) in die
definierten Verhaltensmerkmale (behavioral markers) bei Teamführern und Mitgliedern für fehlerarme Arbeitslastverteilung (workload management) und gutes Situationsbewußtsein (situational awareness) folgende wichtige Punkte aufgenommen:

  • Plane ausreichend Zeit für das Programmieren automatisierter Vorgänge vor dem Start der automatisierten Abläufe
  • Stelle sicher, dass alle Teammitglieder ständig über Status und Veränderungen der automatisierten Abläufe informiert sind
  • Erkenne für Dich und Dein Team potentielle Gefahren durch Ablenkung und Unaufmerksamkeit, die durch automatisierte Abläufe entstehen. Ergreife angemessene Vorbeugemaßnahmen

Gerade im Umgang mit Vorgängen, die durch Computer ausgeführt werden, sind Standardverfahren und Checklisten essenziell. Auch dazu habe ich vor kurzer Zeit einen Artikel veröffentlicht.

Selbst Arbeitsabläufe, die nicht direkt mit digitalisierten Prozessen zu tun haben, müssen der automatisierten Umgebung angepasst werden. So entstand eine Liste von „behavioral markers“, die es ermöglichen, Verhaltensmuster bei Trainings und Prüfungen weitgehend objektiv zu „messen“.

Außer den oben genannten Punkten gehören dazu:


  • Vermeide den „Tunnelblick“, sei Dir der Faktoren (z.B. Stress) bewusst, die Deine Aufmerksamkeit reduzieren
  • Überwache die Umgebungs-Faktoren (in der Luftfahrt z.B. Wetter, Instrumente und Funk) und kommuniziere relevante Informationen sofort
  • Bleibe gedanklich Deiner Ist-Situation voraus („5 Minuten vor dem Flugzeug sein“), um auf unerwartete Ereignisse schnell und richtig reagieren zu können
  • Stelle durch mündliche Kommunikation sicher, dass Dein Team (Crew) Deine Pläne kennt und versteht
  • Die Rollen- und Arbeitsverteilung im Team ist klar kommuniziert, verstanden und rückbestätigt
  • Stelle sicher, dass zweitrangige Tätigkeiten in der Prioritätenliste richtig eingeordnet werden
  • Erkenne und melde Arbeitsüberlastung und Verlust des Situationsbewusstseins bei Dir und Deinen Teammitgliedern ohne Verzögerung
Jeder dieser einzelnen Punkte muss nicht nur erlernt und eingeübt, sondern auch ständig trainiert werden.
Das gilt nicht nur für die Piloten, sondern für die gesamte Crew einschließlich des Bodenpersonals, der Flugzeugtechnik und der Flugsicherung.

Aus meiner Erfahrung als Manager und Berater weiß sich, dass in vielen Unternehmen kaum einer dieser Punkte in den Arbeitsprozessen definiert, geprüft oder trainiert wird. Das Ergebnis ist entsprechend.
Die Fehlerquote in Unternehmen ist konstant hoch, unabhängig vom Stand der Automatisierung.

Die Basis für ein gutes Fehlermanagement ist das Erlernen und Trainieren folgender Elemente nach den Standards des Crew-Resource-Managements (CRM):


Kommunikation
Führen in einer Hierarchie
Entscheiden unter Druck
Stressmanagement

Jeder einzelne dieser Punkte ist mit klaren Regeln untermauert, die alle Teammitglieder verinnerlicht haben. Diese Regeln sind sehr einfach und verständlich formuliert.
Sie gelten in der Verkehrsluftfahrt für alle am operativen Flugverkehr beteiligten Mitarbeiter.

Man hat in der Fliegerei gelernt, dass gerade in digitalisierten Arbeitsumgebungen das Führungs- und Arbeitsmodell CRM eine noch wichtigere Rolle für fehlerfreie Ergebnisse spielt, als in analogen Arbeitswelten.
Nur durch ein klares und trainiertes Mensch-Mensch-Maschine Verhältnis erwächst aus den Errungenschaften der digitalen Arbeitswelten die Chance, wirklich fehlerärmer und gewinnbringender zu arbeiten.

Gerade wo Computer in eine echte Zusammenarbeit mit Menschen eintreten, haben Zufälle, Handlungen aus vagen Erinnerungen und ein Verhalten, das durch die Tagesform geprägt ist, immer weniger Spielraum.



Der Mensch braucht neue Regeln und Verhaltensmuster für eine möglichst fehlerarme Zusammenarbeit mit Automaten. Das CRM liefert diese Regeln und passt sie dem technologischen Fortschritt laufend an.
Es ermöglicht dem Menschen, seine den Maschinen überlegenen Fähigkeiten (zum Beispiel Vorausschau, abschätzen und einordnen, Erfahrung) gewinnbringend mit den Vorzügen eines Automaten zu kombinieren. Am Ende des Prozesses kommt dann ein enorm fehlerarmer und effektiver Arbeitsablauf heraus.
Die Verkehrsluftfahrt beweist das jeden Tag.

Trotz kleiner Cockpitbesatzungen (auch ein Airbus A 380 oder eine Boeing 747 werden heute nur von zwei Piloten in Zusammenarbeit mit zahlreichen Computern geflogen), ständig zunehmendem Verkehrsaufkommen, extrem hoher Automatisierung und immer größeren Anforderungen an die Effizienz, hält die Verkehrsluftfahrt die Fehlerquote auf dem weltweit niedrigsten Stand aller Arbeitsplätze überhaupt – und senkt sie weiter!
Ansonsten wäre Fliegen für Sie heute keine Selbstverständlichkeit.

Quelle:


Dieses Kapitel des Referenzwerkes über das Crew-Resource-Management ist öffentlich und kostenlos einzusehen.

Mittwoch, 9. August 2017

Meine größte Fehlerbremse im Alltag – die Checkliste

Vor einigen Tagen fand einmal wieder die turnusmäßige Wartung unseres Airline-Simulators statt.



Nicht nur die Wartung erfolgt nach einer sorgfältig ausgearbeiteten Checkliste, auch die darauffolgenden Tests führen wir nach festgelegten Standard Operational Procedures (SOPs) mit Checklisten aus.
Diese Überprüfung enthält alle für unsere Trainings genutzten Elemente und sichert eine sehr hohe Qualität und Betriebssicherheit im Simulator.
Die Einsatzbereitschaft des Simulators beträgt nahezu 100 %!
Sowohl die SOPs als auch die Tests nach den dafür ausgearbeiteten Checklisten passen wir ständig den Veränderungen und Entwicklungen an.

Wie im Standardwerk für das Crew Resource Management (CRM)
„Crew Resource Management, Kanki, Helmreich und Anca, 2010“
nachzulesen, wurden über 30 % der Flugzeugunfälle wegen menschlichen Versagens durch Nichteinhalten von SOPs und den dazugehörigen Checklisten ausgelöst.

Das Einhalten von Checklisten erfordert nicht nur Disziplin, sondern vor allem Einsicht.
Und hier beginnt häufig das Übel. Sofern Checklisten und die dazugehörigen SOPs in Unternehmen überhaupt existieren, werden sie häufig am grünen Tisch, ohne die Beteiligten entworfen.
Eventuelle Verbesserungsvorschläge und Kritik an deren Sinnhaftigkeit verhallen nicht selten im Raume.
Auch fehlt oft ein System, vorhandene Checklisten und Verfahren wiederkehrend zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren.


Die Verkehrsluftfahrt und deren Sicherheit lebt zum großen Teil von ständig auf dem Laufenden gehaltenen SOPs und Checklisten.
Sie sind auch schon immer fester Bestandteil des Crew-Resource-Managements (CRM).

Nur durch häufiges Training und ständiges Feedback durch den Nutzer wird das Einhalten von Checklisten im operativen Flugbetrieb gesichert.
Als eine weitere, häufige Ursache für das Missachten von Checklisten hat sich das Einschleichen von allzuviel Routine herausgestellt.


Auch das kann man nur durch regelmäßiges Trainieren und Bewusstmachen der entsprechenden Situationen gewährleisten – auch eine wichtige Erkenntnis in der Forschung zum Crew-Resource-Management.
Es waren immer wieder erfahrene Crews, die Flugzeuge in Routinesituationen, nur teils unter Stress, abstürzen ließen. Die Ursache war fast immer das unnötige Verlassen der SOPs. Die Cockpitbesatzung vergaß oft nur einen Punkt in der Checkliste. Die Konsequenz: viele Menschen starben.
Mit dem CRM nahmen diese Fehler drastisch ab.

Durch die Einführung von Standardverfahren und Checklisten nach oben beschriebenem Vorbild habe ich in Unternehmen in meist kurzer Zeit die Fehlerquoten um bis zu 50 % senken können.